Freitag, 9. Oktober 2015

Dirnenwohnheim IV – Die Polizei war mal nahe dran

Die Stahlstraße macht zurzeit Schlagzeilen. Am vergangenen Wochenende ist in der ältesten Laufstraße Deutschlands eine 24-jährige Rumänin aus dem Fenster gesprungen. Bei dem Sturz aus dem ersten Obergeschoss erlitt sie schwerste Verletzungen. Die Hintergründe des Vorfalls sind unklar. Eine Zeitung berichtet von angeblich organisiertem Menschenhandel in dem bestimmten Unglückshaus.
In der Bordellstraße gibt es 17 Häuser,  in denen Frauen ihre Liebesdienste anbieten, versteckt hinter Mauern, mittlerweile umgeben von zwei großen Möbelhäusern und anderen Geschäftsbetrieben. Die Polizei hat sich aus dem Gebiet zurückgezogen. Bis Anfang der 1970er-Jahre gab es direkt neben dem Dirnenwohnheim (amtlicher Begriff) die „Puffwache“, so wurde sie in Polizeikreisen genannt, eine kleine Außenstelle der damaligen Hauptwache (Schutzbereich I) am Webermarkt. Selbst im Polizeipräsidium saß bei der „Sitte“ ein Kripobeamter, der sich ausschließlich um die Belange der Stahlstraße und der dortigen gewerblichen Tätigkeit kümmerte. Papa Ferner nannten ihn die Frauen. Sie kamen vor Ausübung ihrer Tätigkeit freiwillig ins Präsidium und meldeten sich bei ihm an. Nach der erkennungsdienstlichen Behandlung und der Ausstellung des so genannten „Bockscheins“ vom Gesundheitsamt durften die Frauen in einem der Häuser arbeiten. Übrigens, die Tagesmiete eines Zimmers betrug in dieser Zeit etwa 100 Mark. Wobei ein Raum teilweise in zwei Schichten vermietet wurde. Kein schlechter Mietzins für 24 Stunden.
Zurück zur Puffwache. Dort versah auch ein Beamter Dienst, der enge Kontakte zu einer älteren Bewirtschafterin und Eigentümerin eines der Häuser unterhielt. Übrigens zusammen mit seiner Ehefrau, bevor jemand hier auf falsche Gedanken kommt. Als die Immobilienbesitzerin starb, erbte besagter Polizeihauptmeister G. ihr Haus. Kurz danach quittierte er den Polizeidienst, hing seine Polizeimütze an den Nagel, veräußerte seinen „Puff“ und eröffnete in einem hessischen Mittelgebirge ein Hotel.
Zu dieser Zeit war die Polizei eben nahe dran am Dirnenwohnheim, nicht nur mit ihrer Wache.
Am Rande: Als junger Schutzmann lernte ich, dass die kostenlose Gewährung des Geschlechtsverkehrs den Tatbestand der Annahme von Geschenken erfüllt. Ein Disziplinarverfahren wäre die Folge gewesen. Das hielt einen verheirateten Beamten allerdings nicht davon ab, mit einer dunkelhäutigen Hure (korrekter Begriff für den Beruf) eine Liaison einzugehen. Das ungleiche Paar fiel natürlich beim Flanieren über die Kettwiger Straße gar nicht auf.
 
Genau hier, Nordhofstraße 8, existierte die Polizeiwache bis etwa 1971/72. Links sind die ersten Häuser der Stahlstraße erkennbar. Das Mehrfamilienhaus existiert nicht mehr.




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