Ich gehöre zur
Nachkriegsgeneration. Der Krieg war acht Jahre vorbei, als ich auf die Welt kam. Für uns Kinder spielte er keine Rolle
mehr. Es gab jedoch ein Kinderspiel, an das ich mich noch gut erinnere. Es hieß: „Deutschland erklärt den Krieg.“
Vier Kinder spielten es zusammen. Wir malten auf den staubigen Boden des Hinterhofs
einen großen Kreis und teilten ihn in vier gleiche Teile. Jedes Viertel stellte ein Land
dar. Alle wollten natürlich Deutschland sein. Und wenn einer an der Reihe war und laut
rief: „Deutschland erklärt den Krieg gegen ...,liefen wir auseinander, bis einer "Stop" rief. Es folgte das Abwerfen
mit einem Stöckchen und und danach Landgewinn. Gewonnen hatte derjenige, dem zum Schluss der
gesamte Kreis gehörte.
So begann das Kinderspiel - Deutschland, Italien, England und Frankreich |
Keiner der Erwachsenen erklärte uns das Spiel. Im Gegenteil.
Viele lagen in den Fenstern zum Hofe und schauten uns Kindern bei diesem „analogen
Ballerspiel“ zu. Ich hörte von den Erwachsenen immer nur: „Deutschland hat den
Krieg verloren.“ Kindgemäß hat mich das
geärgert. Wer will schon Vrelierer sein?
Erst später erfuhr ich im Geschichtsunterricht, was Krieg
bedeutete und welche Rolle Deutschland spielte. Was er in meiner Familie
angerichtet hatte. Tante Mariechen verlor drei ihrer vier Jungs. Und der eine,
der Überlebte hatte keine Hände mehr. Der Verlobte meiner Mutter fiel für das Vaterland, wie es damals hieß. Meine Großeltern flüchteten aus Ostpreußen und verloren Besitz und Heimat.
1978 lief im Fernsehen die amerikanische Serie Holocaust, die fiktive Geschichte der Familie Weiß. Erst da wurde mir bildlich so richtig klar, was in 12 Jahren deutscher Geschichte passiert ist. Willkürlicher Mord. Millionenfacher Tod von Soldaten und Zivilbevölkerung. Der Essener Polizeisekretär Benjamin Cichon, Verwaltungsbeamter in einer Veterinärabteilung, schrieb aus dem besetzten Polen in einem seiner letzten Briefe: “Wir dürfen den Krieg nicht verlieren, denn dann erfährt die Welt, was Deutsche hier angerichtet haben.“ Und wir wissen, nicht nur in Polen.
1978 lief im Fernsehen die amerikanische Serie Holocaust, die fiktive Geschichte der Familie Weiß. Erst da wurde mir bildlich so richtig klar, was in 12 Jahren deutscher Geschichte passiert ist. Willkürlicher Mord. Millionenfacher Tod von Soldaten und Zivilbevölkerung. Der Essener Polizeisekretär Benjamin Cichon, Verwaltungsbeamter in einer Veterinärabteilung, schrieb aus dem besetzten Polen in einem seiner letzten Briefe: “Wir dürfen den Krieg nicht verlieren, denn dann erfährt die Welt, was Deutsche hier angerichtet haben.“ Und wir wissen, nicht nur in Polen.
Wir haben den Krieg nicht verloren, wir haben ein neues Deutschland
gewonnen. Heute vor 75 Jahren.
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