Auch wenn es keine innige
Freundschaft war und wir uns gar nicht so oft sahen, Sven Gnida war mein Freund. Er starb gestern im Alter
von nur 43 Jahren nach schwerer Krankheit. Vor sechs Wochen saßen wir noch bei einem Küchengespräch lange zusammen. Es ging um Beziehung, Krankheit, Tod, Polizei und Tätowierung. Leider war es unsere letzte Begegnung.
Seine Geschichte: Ich habe vor etwa 10 Jahren von einer jungen Polizeikollegin von ihm gehört, als wir zufällig über Tätowierungen sprachen. Sven war jahrelang Polizist in Essen. Seit seiner Kindheit malte er. Immer und Immer wieder. Selbst später auf dem Einsatzwagen der Einsatzhundertschaft hatte er einen Zeichenblock dabei. Er mochte die bleibenden Bilder auf der Haut, auch auf seiner, und hatte einen Traum. Sven wollte Tätowierer werden. Aber dafür einen krisensicheren Beamtenberuf aufzugeben, um sich in die Selbstständigkeit zu wagen? Und dann der Gegensatz. Polizist und Tätowierer. In dieser Zeit noch ungewöhnlich. Gab es doch in unserem Beruf viele Kritiker. Auch heute noch bei den Alten. Sein Vater, ebenfalls Polizist, und seine Mutter rieten ab. Verständlich. Eltern eben. Dann starb plötzlich seine Mutter sehr jung. Sven sagte mir in einer längeren Tattoositzung: „Da war für mich das Zeichen, meinen Traum anzugehen.“
Tattooconvention 2018 in Mönchengladbach |
Der pensionierte Polizeikommissar machte sich mit seinem Studio in Recklinghausen selbstständig. DARK CONSEPTS wurde eine angesagte Adresse in der Szene. Wartezeiten von bis zu drei Jahren für eine Gnida-Tattoo. Mich nahm er mal zwischendurch unter seine Nadel, als ein Kunde absprang. Die vier Stunden vergingen wie im Flug. Und - es tat nicht weh. Sven führte die Nadel mit einer besonderen Sensibilität.
Der ewige Single, Liebhaber von amerikanischen Motorrädern und Autos, lernte später eine Frau kennen und lieben. Die Beiden heirateten. Das Glück schien perfekt zu sein.
Dann der Moment, der alles zunichte machte. „Das Leben ist nicht fair“, sang Herbert Grönemeyer nach dem Tod seiner Frau. Wie wahr. Im letzten Jahr erfuhr ich – selbst schwer erkrankt – von seinem Schicksal. Diese verdammte Krankheit, die ihn vor Jahren packte, und fast vergessen war, kam wieder. Schwarzer Hautkrebs. Hinzu noch die Pandemie.
Meine bleibende Erinnerung an Sven |
Sven schrieb im April im Netz: „Wie einige es bestimmt mitbekommen haben, bin ich schwer an Krebs erkrankt. Das Ladenlokal musste ich schließen, da ich keine Chance auf eine Heilung habe.“ Und dieser Post zeigt, wie er tickte: „Angefangene Projekte werde ich nach und nach kontaktieren um das einmal persönlich durchzusprechen.“ Er wollte seine Arbeiten zu Ende bringen. Fair und seriös seinen Kunden und Freunden gegenüber. So war er. Ein echt dufter Typ aus dem Ruhrgebiet, aus meiner und seiner Heimatstadt Gelsenkirchen. Immer wenn wir uns trafen und ich ihn bei der Arbeit fotografieren durfte, war die Begegnung von Sympathie geprägt.
Jetzt ziert eine Taschenuhr meinen Unterarm. Ein „echter Gnida“. Die Zeit tickt für uns alle. Bei Sven ist die Uhr viel zu früh gestern abgelaufen. Immer wenn ich jetzt auf meinen Arm schaue, denke ich an ihn.