Mittwoch, 25. November 2020

KRUPP und eine missglückte Polizeieskorte

Auch in meiner über 40-jährigen Polizeidienstzeit in Essen war der Stahkonzern KRUPP durch Einsätze ständig präsent. Meine erste dienstliche Berührung hatte ich unvorbereitet Mitte der 1970er-Jahre als junger Schutzmann. Gerade mit dem Spätdienst auf der „Gerlingwache“ begonnen wurde ich für eine Motorradeskorte eingeteilt. Der iranischen Wirtschaftsminister besuchte die Villa Hügel für einen Megadeal. Der damalige Schah von Persien erwarb vom Konzern ein Aktienpaket von 25,1 Prozent. Wir übernahmen während schneller Fahrt den Konvoi auf der Autobahn 52 und begleiteten ihn zur Villa Hügel. Während alle Kollegen die schweren dunklen Limousinen des Ministers und des Begleittrosses bis direkt zum Eingang der Villa aufgereiht begleiteten, bog ich als einziger vorher ab und "versaute" das Gesamtbild. Das sorgte im Anschluss für Gelächter und Gesprächsstoff.

Halbmast geflaggt vor der Villa Hügel nach dem Tod von Berthold Beitz 2013

Im Laufe der späteren Jahre kamen noch der Personenschutz für den Generalbevollmächtigten Berthold Beitz und zahlreiche Staatsbesuche hinzu, so wie die von Wladimir Putin und Erich Honecker. Oder der EU-Wirtschaftsgipfel 2011. Meinen größten Auftritt hatte ich mit einem Live-Interview vor der Villa Hügel im „Bericht aus Bonn“ während des EU-Gipfels 1994, meinen letzten Einsatz bei der Trauerfeier für Berthold Beitz 2013.

Polizeimeister Klein nach missglückter Eskortenfahrt

Wenn also eine Stadt mit einem Unternehmen eng verbunden ist, dann ist es Essen mit KRUPP. Diese Symbiose existiert seit weit über 100 Jahren. Kruppstraße, Alfredstraße, Krupp Krankenhaus, Margarethenhöhe, Villa Hügel und vieles, vieles mehr, deuten im Stadtgebiet auf das Unternehmen hin. Seit 1999, nach der Fusion mit der Düsseldorfer Thyssen AG, hieß es dann „Thyssenkrupp“.

Das Hauptgebäude von "tyseenkrupp" an der Altendorfer Straße

Essen profitierte ständig und großzügig vom Unternehmen bzw. von der Krupp-Stiftung. Der letzte Gönner und Förderer war Berthold Beitz, der den jetzigen Firmensitz nach dem Zusammenschluß mit Thyssen nach Essen holte und zum  Kulturhauptstadtjahr mit einer kräftigen Finanzspritze den Neubau des Folkwangmuseums ermöglichte. Aber auch eine dunkle Wolke liegt auf dem Stahlunternehmen. Krupp die Kanonen- und Waffenschmiede des Deutschen Reichs. Selbst der größte Verbrecher aller Zeiten wurde hofiert und wollte die Jugend in der Nazi-Diktatur so hart wie Kruppstahl formen. Nach dem Krieg erholte sich die Firma langsam, geriet aber immer wieder in wirtschaftliche Schräglagen. Zurzeit macht „Thyssenkrupp“ wieder Schlagzeilen. Milliardenschwere Verluste lasten auf dem Unternehmen. Es droht der Wegfall tausender Arbeitsplätze durch den Einbruch im Stahlgeschäft und die Corona-Pandemie. Hoffen wir, dass der Konzern nach und nach in ruhiges wirtschaftliches Fahrwasser gerät. Dann ist die Polizei auch wieder am Ball, allerdings ohne mich.

Der Anfang. Das nachgebaute Stammhaus der Krupps  


Dienstag, 17. November 2020

Coronakrise – wie kriegen wir das finanziell hin

 „Wer soll das bezahlen? Wer hat das bestellt? Wer hat so viel Pinkepinke? Wer hat so viel Geld?“ So beginnt ein Schlager aus dem Zeitalter des Wirtschaftswunders. Die Antwort wäre ganz einfach: Die Superreichen. Denn 1 Prozent der Deutschen besitzen 1/3 des Gesamtvermögens. Es wird auf 10 Billionen Euro geschätzt. Jährlich werden etwa 400 Milliarden Euro vererbt. Davon bekommt die Gemeinschaft lediglich 1,5 Prozent - „nur“ 6 Milliarden Euro, heißt es in einem Hörfunkbeitrag des WDR(siehe unten).

WDR-Foto

Die Corona-Krise kostet uns allen, also dem Staat, eine Menge Geld. Das erste Hilfspaket wird mit 350 Milliarden Euro veranschlagt. Weitere Forderungen stehen im Raum. Unterstützung von Solounternehmen, Mitarbeitern von Eventunternehmen, Künstlern usw.  Die jetzige Pandemie ist finanziell die größte Herausforderung nach dem 2. Weltkrieg für Deutschland. Und die ist durch Lastenverteilung und höhere Steuern der Mehrverdiener gestemmt worden. Und jetzt? Selbst einige Erben, wie die Enkelin von BOSCH und der Enkel von FROSTA, sind für einen gerechteren Lastenausgleich. Da gibt es allerdings politische Bremser wie die FDP. Das Thema habe ich heute im Radio gehört – im WDR 5. Gut, dass es noch denn öffentlich-rechtlichen-Rundfunk gibt. Ob die Privaten das Thema angepackt hätten? Da bin ich mir nicht ganz so sicher. An dieser Stelle zitiere ich immer wieder gerne den verstorbenen CDU-Politiker Heiner Geißler: „Es gibt Geld wie Dreck, es haben nur die falschen Leute.“

Hier geht’s zum Beitrag:

https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-neugier-genuegt-das-feature/audio-corona-hilfen--wer-soll-das-alles-bezahlen-100.html

 

 

 

Montag, 2. November 2020

Bleibt der Mord an Marijana (9) ungesühnt?

Vorwort

Der Mord an dem bosnischen Mädchen ist über 27 Jahre her. Marijana wäre heute eine Frau mittleren Alters. Wie wäre ihr Leben verlaufen? Vielleicht würde sie in Essen wohnen, wäre verheiratet, hätte Kinder? Der Krieg in ihrem Heimatland Bosnien/ Herzegowina war noch nicht ausgebrochen. Hätte sie, ihre Geschwister und Mutter fliehen müssen oder können, zumal ihr Vater schon jahrelang im Ruhrgebiet arbeitete. Es kam anders. Ein Unbekannter beendete grausam das junge Leben des Mädchens. Der Mord konnte bislang nicht geklärt werden. Lebt der Mörder weiter unter uns in Essen? Neben einer noch möglichen Aufklärung („Mord verjährt nie“) sollte das Opfer nie vergessen werden.

Vermisst

Essen-Altenessen. In der Frühbesprechung der Essener Kripo am 1. September 1993 hat die Erste Kriminalhauptkommissarin Hanna Baltuttis schon ein ungutes Gefühl. Jahrzehntelange Erfahrung lässt die Leiterin des 2. Kommissariats, zuständig für Sexualdelikte, Vermisstenfälle und Kinderkriminalität, sagen: "Das sieht nicht gut aus.“ Ihr Gefühl soll ihr recht geben.

Seit den späten Abendstunden des Vortages bis in die Nacht hinein sucht die Essener Polizei mit einem Großaufgebot nach Marijana Krajina. Über 100 Beamte sind im Einsatz. Das Mädchen aus Bosnien-Herzegowina ist mit ihrer Mutter zu Besuch bei ihrem Vater (51), der in Altenessen wohnt und seit 1966 bereits in Deutschland arbeitet.  Schon zum siebten Mal ist die 9-Jährige im Ruhrgebiet, immer in den Sommerferien. Sie kennt sich gut im Wohnumfeld aus, spricht aber wenig Deutsch. Sieben Wochen ist Marijana zurzeit in Essen.

Marijana - 9 Jahre alt

Am Dienstag, dem 31.August 1993, gegen 17.45 Uhr, verlässt das Kind die Wohnung des Vaters an der Straße Am Schlagbaum 5, um ihre Mutter (46) vom Kaufhaus "Woolworth" an der Altenessener Straße - nur wenige hundert Meter entfernt - abzuholen. Die Mutter kommt wenig später allein zur Wohnung zurück. Ihre Tochter ist verschwunden. Am späten Abend, gegen 22.00 Uhr, schalten die Eltern nach eigener erfolgloser Suche die Polizei ein. Bis zu 26 Streifenwagen suchen in der Nacht planmäßig die Umgebung und den Stadtteil Altenessen ab. Die Beamten werden von der Feuerwehr, von Bus- und Bahnfahrern sowie von Taxifahrern unterstützt.
Vom Wohnort zum Kaufhaus - ein kurzer Weg (Foto: Google Map)
Die Kripo nimmt die Ermittlungen auf. Die fieberhafte Suche bringt nicht den erhofften Erfolg. Marijana bleibt wie vom Erdboden verschluckt. Die Suche geht bei Helligkeit im unmittelbaren Wohnumfeld, im Kaiserpark, im und rund um das Einkaufszentrum, auf dem Gelände der Zeche Carl am nächsten Tag weiter. Das Mädchen ist wie vom Erbogen verschluckt. Nach den Veröffentlichungen auf Radio Essen und in anderen Medien gehen wenige Hinweise ein. Auch sie führen nicht zu dem Kind.

Mord

Scheeßel (Niedersachsen/Landkreis Rotenburg/Wümme). Am Freitagabend, dem 3. September 1993, gegen 19.45 Uhr, dann die Gewissheit was geschehen ist. Eine Frau findet in Niedersachsen an der Bundesstraße 75 zwischen Bremen und Hamburg, nordöstlich der Ortschaft Scheeßel, an einem Parkplatz in einem Brombeergebüsch den Leichnam eines Kindes. Der Fundort ist etwa 300 km von Essen entfernt. Der kleine Körper weist Stiche und Würgemerkmale auf. Spuren von sexueller Misshandlung stellt der Rechtsmediziner später fest. Schnell wird den Ermittlern in Niedersachsen klar, dass es sich um das 9-Jährige Mädchen aus Essen-Altenessen handelt.

Der Fundort des Leichnams in Niedersachsen
Aus der Vermisstenkommission wird jetzt in Essen eine Mordkommission (MK). Sie wird geleitet vom Kriminalhauptkommissar Klaus Welski. Marijana Krajina ist schon in der Nacht ihres Verschwindens oder tags darauf von ihrem Mörder getötet und missbraucht worden, ergibt das Spurenbild.

 

Ermittlungen

Die Theorie der Fahnder lautet: Der Täter hat Marijana in der Nähe der Altenessener Wohnung oder am Einkaufszentrum Altenessen verschleppt und ist mit ihr in Richtung Norddeutschland gefahren, vermutlich über die Autobahn A1. Die Fahrtzeit bis zum Fundort des Leichnams liegt bei drei bis vier Stunden. Irgendwo auf der Strecke passiert das schreckliche Verbrechen. Der Leichnam wird dann vom Täter in dem Gebüsch auf dem Parkplatz an der B75 abgelegt. Doch bleiben einige Fragen offen: Warum steigt das Kind in das Fahrzeug eines Unbekannten? Oder hat sie doch Vertrauen zu ihm? Kein Mensch hat Marijana nach dem 31. August 1993 mehr gesehen. Ungewöhnlich. Klaus Welski und seine Kollegen gehen jeder kleinsten Spur nach. Trotz intensiver Pressearbeit kommen wenige Hinweise aus der Bevölkerung.

Wurde Marijana auf dem Weg von Essen nach Scheeßel getötet? Foto: Google Map

Hoffnung

Dann keimt neue Hoffnung auf. Nach Tagen meldet sich eine Zeugin bei der Mordkommission. Sie will Marijana am Tage ihres Verschwindens in Begleitung eines Mannes gesehen haben. Dieser Unbekannte soll eine Bundeswehruniform getragen haben, unter einer Schulterklappe klemmte ein bordeauxfarbenes Barett. Ein Phantomfoto wird von Beamten des Landeskriminalamtes (LKA)gefertigt. So sieht der mögliche Mörder aus, ist sich die Hinweisgeberin sicher.

Das Phantomfoto - sieht so der Mörder aus?
Die Frau ist glaubhaft, eine gute Zeugin, so der Leiter der MK. In Niedersachsen gibt es im engeren und weiteren Bereich des Fundortes des Leichnams viele Kasernen. Das Puzzle könnte zusammenpassen. Ist der Mörder ein Bundeswehrsoldat?

Die Beschreibung des mutmaßlichen Täters: etwa 20 bis 22 Jahre alt, etwa 170 bis 175 cm groß, schlank, breite Schultern, kurzes, leicht gelocktes, blondes Haar.

Der Parkplatz und Ablegeort im Hintergrund

Die Essener Mordkommission ermittelt in norddeutschen Kasernen, die Bundeswehr leistet Hilfe und Unterstützung. 1131 Soldaten werden überprüft. Leider ohne den erhofften Erfolg. Der Mörder bleibt unbekannt.

ZDF „Aktenzeichen XY…ungelöst“

Nächste Hoffnung und Möglichkeit: Die Mordkommission wendet sich an das Zweite Deutsche Fernsehen. Eduard Zimmermann berichtet zeitnah in seiner Sendung "Aktenzeichen XY…ungelöst..." über das Verbrechen. Klaus Welski nimmt noch im Studio die ersten der 48 Hinweise entgegen, seine Kollegen warten in Essen auf den entscheidenden Tipp. Viele Anrufe aus ganz Deutschland gehen in Essen ein. Leider ist die "heiße Spur" nicht darunter.

In Altenessen wird das Plakat veröffentlicht

Fazit

Am 12. November 1993 wird die Mordkommission (MK) aufgelöst. Die Bilanz: Die MK besteht zeitweise aus bis zu 25 Beamten und leistet 1800 Überstunden. Sie überprüft 1726 Personen, darunter 1131 Soldaten, 333 Autofahrer (rote Alfa-Romeo mit Essener Kennzeichen und weiße Opel-Omega mit Verdener Kennzeichen). 

Bleibt der Mord an dem Mädchen für immer ungesühnt? Was geschah am 31. August und 1. September 1993? Nur der Mörder könnte eine Antwort geben. 

Autor: Uwe Klein, Erster Polizeihauptkommissar a. D.

Sonntag, 1. November 2020

50 Jahre Frauenfußball

Ab dem 31. Oktober 1970 durften auch die Frauen öffentlich Fußball spielen. Der mächtige von Männern dominierte Deutsche Fußball-Bund (DFB) hob das Verbot auf. Man(n) räumte den Frauen allerdings nicht die gleichen Bedingungen wie den Ballkickern ein: So dauerte das Spiel nur 70 Minuten, Stollenschuhe waren verboten, die Bälle waren kleiner und leichter. Erst 23 Jahre später traf der legendäre Satz vom Bundestrainer Sepp Herberger auch auf den Frauenfußball zu: „Ein Spiel dauert 90 Minuten.“ Die peinlichste Aktion des DFB ereignete sich 1989 (!). Die deutsche Frauenmannschaft gewann die Europameisterschaft. Die Gewinnprämie für die Spielerinnen bestand aus einem Kaffeeservice mit bunten Blümchen der Firma  „Villeroy & Boch“.

Die erste Frauenmannschaft des Polizeisportvereins (PSV) Essen 1973

Heute ist der Frauenfußball voll etabliert. Die Frauen spielen einen guten Ball. Trotz der vielen Erfolge der deutschen Mannschaft (oder muss es gendergerecht Frauschaft heißen?) blieb der Zuschauererfolg aus. Nur zurzeit spielen beide Geschlechter vor der gleichen Anzahl. Wegen der Corona-Pandemie sind die Stadien (fast) menschenleer.

Am Rande: Was mir bislang immer bei den Frauenspielen positiv auffiel. Die Spielerinnen halten ihren Speichel im Mund. Das ungezügelte Speien sieht man nur bei den Männern. Obwohl bei einem der letzten Spielen eine Kickerin mir auch negativ auffiel. Bitte nicht nachmachen, liebe Frauen.