Unsere Reisegruppe besteht aus 29 Kolleginnen und Kollegen
der International Police Association Deutschland, ganz bunt gemischt. Von der promovierten Kriminalpsychologin des Bundeskriminalamtes über den Wasserschutzpolizisten
aus Mecklenburg-Vorpommern bis hin zur jungen Beamtin eines Einsatzabschnittes aus
Berlin. Und dann sind da noch die Pensionäre. Dazu gehöre ich. Mit 66 Jahren
der älteste Teilnehmer. Alterspräsident. „Siehst Du aber nicht nach aus“, sagt
mir die Psychologin mit einem Augenzwinkern. Vielleicht wollte sie mich
trösten.
Die beiden Wichtigsten auf der Reise sind aber der Fahrer
des Busses Kaed und der Reiseleiter Yalon. Kaed (42) ist arabischer Israeli,
verheiratet, 4 Kinder. Seine Familie stammt ursprünglich aus dem Jemen. Vor
mehr als 100 Jahren kam sie ins Gebiet. Damals existierte der Staat Israel noch
nicht. Er dirigiert den Reisebus durch die kleinsten Gassen von Tel Aviv. Bei
der Rast am Gazastreifen brüht er für uns extra starken türkischen Kaffee auf
kleinem Campingkocher auf. Wir trinken ihn sitzend im Kofferraum des Busses.
Die Biographie des Reisleiters Yalon liest sich wie ein
Krimi. Der 61-Jährige mit langem Haar sieht aus wie ein gealterter Rockstar. Mit
der Haartracht hatte er schon als junger Mann Schwierigkeiten beim Bundesgrenzschutz
(heute Bundespolizei). Nach einigen Auslandseinsätzen und als Sicherheitsbeamter bei
der Lufthansa konvertierte er 1989 zum Judentum und fand seine neue Heimat in
Israel. Dort diente er als Soldat und „freiwilliger“ Polizist, später auch als
Übersetzer und Berater für Holocaust-Opfer. Dann wurde er Reiseleiter und hat
schon zahlreiche ausländische Besuchergruppen durch „sein“ Israel geführt, insbesondere aus dem Polizeibereich.
Heute fuhr er mit uns zunächst zu einem ehemaligen Kibbuz,
das 1932 seinen Lernbetrieb aufnahm. 1945 baute die Hagana, eine paramilitärische Untergrundorganisation, eine geheime Munitionsfabrik
unter der Wäscherei und der Bäckerei des Kibuzzes. Heute ist dort ein
Museum. 45 Frauen und Männer fertigten damals 5 Millionen
Patronen im Handbetrieb. Sie gingen ein hohes Risiko ein. Explosionsgefahr und
Todesstrafe drohten. Das hätte sie erwartet, wenn die Mandatsmacht Großbritannien
das illegale Treiben unter Tage entdeckt hätte. Nicht nur wir waren heute
interessierte Besucher, sondern auch der amerikanische Filmstar Jason Biggs,
der auch schnell für ein Selfie von und mit Manuel und Svenja herhalten musste.
Die Cineasten kennen ihn aus dem Kultfilm American Pie.
Später. Ich hatte ein Gefühl wie vor mehr als
30 Jahren am Todesstreifen, der Deutschland zerschnitt. Wir standen am
Gazastreifen, der Israel und Ägypten trennt. Auf dem Autonomiegebiet leben etwa 1,8 Millionen
Menschen. An der Grenze zu Israel kommt es immer wieder zu kriegerischen
Auseinandersetzungen. Rund 20.000 Raketen flogen aus dem Gebiet schon in
Richtung israelischer Städte. Die Armee reagiert mit militärischer Härte. In
weiter Ferne sehen wir die Flagge der Palästinenser und Panzer der israelischen
Armee, aber auch einen Bauer, der das Land bestellt. Wir stehen in Reichweite
von Scharfschützen. Verrückte Welt.
Abends drehen wir noch eine Runde durch Tel
Aviv, der Partnerstadt von Essen, und schauen uns in der „Weißen Stadt“ die
Häuser der Bauhaus-Architektur an, die dort zwischen 1928 und 1945 entstanden.
Gebaut von Deutschen, die vor ihren Mördern nach Israel flohen. „Jeckes“ wurden
sie genannt, weil sie häufig Jackett und Krawatte trugen.
Der jüngere Teil unserer
Reisegruppe nutze den letzten Tag in Tel Aviv zu einem Sprung ins Mittelmeer. Morgen
geht es in Richtung Jerusalem.