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Freitag, 31. Mai 2019

Israel - Heißer Tag - Masada - Totes Meer


Ich bin tot, also kaputt. Kein Wunder. Kommen wir doch gerade vom Toten Meer. Die Sonne brennt. Aber der Tag fängt mit einer Schreckensmeldung an. In der Altstadt von Jerusalem attackiert heute Morgen ein Palästinenser unvermittelt zwei Israelis mit einem Messer und verletzt einen. Sicherheitskräfte erschießen den 19-Jährigen. Der terroristische Anschlag geschieht am Damaskustor. Es führt sowohl in das muslimische als auch in das christliche Viertel. Der Wahnsinn in diesem wunderbaren Land an einer heiligen Stätte.

Unsere 29-köpfige Reisegruppe ist zu diesem Zeitpunkt schon auf dem Weg zum Weltkulturerbe Masada.

Ein Tafelberg zwischen Totem Meer und der Judäischer Wüste. Es ist brüllend heiß. 41 Grad Celsius.  Der Ort ist für die Juden ein Symbol ihres Freiheitswillens. Im Jahr 74 nach Christus belagerten die Römer die damalige Festung für einige Monate. Um nicht in die Hände der Angreifer zu fallen, begingen knapp 1000 Männer, Frauen und Kinder den Freitod. Täglich besuchen 3000 bis 5000 Menschen diesen Ort. Für Israelis ist die Besichtigung dieser archäologischen Ausgrabungsstätte ein Muss. Heute gehören wir dazu.








Am Totem Meer. Wir tauchen in eine lauwarme riesige Badewanne, in der man nicht untergehen kann. Heiß, salzig, tot. Nur die kleinen Mücken trüben ein bisschen diese besondere  Erfahrung und erfreuen sich an den doofen, weißen Touristen aus aller Welt. Ich vergesse meine Badehose.




Nach einer rund dreistündigen Fahrt durch das Westjordanland (Westbank) entlang der israelisch-jordanischen Grenze - bei einer Rast zeigt das Thermometer sage und schreibe 44 Grad - landen wir in den Abendstunden in Tiberias am See Genezareth. Genau dort, wo Jesus mit seinen Jüngern vor über 2000 Jahren wirkte und über das Wasser ging. Nachzulesen im Neuen Testament der Bibel, Matthäus 14 25 oder bei Johannes 6 19. Morgen geht’s auf die Golanhöhen.

Donnerstag, 30. Mai 2019

Israel – Jerusalem - Kinder und viele Menschen


Ein kluger Mann hat einmal gesagt: „Das Heiligste sind Kinder.“ Die Nazis haben 1,5 Millionen der Unschuldigsten umgebracht. Das Foto zeigt einen jungen Mann nach dem Besuch der Kindergedenkstätte Yad Vashem, weinend auf einer Mauer sitzend, in sich zusammengesunken.
Er kommt gerade mit uns von einem ganz besonderen Ort. Wir betreten einen schmalen Gang und gelangen in einen dunklen Raum. Kindergesichter werden auf die Wand projiziert. Eine Frauenstimme liest den Namen, das Alter und den Herkunftsort eines Kindes vor. Wir müssten uns drei Monate hier aufhalten, um alle Namen der Getöteten zu hören. In dem Raum wird das Licht von fünf Kerzen tausendfach gespiegelt. Nach dem wir wieder draußen sind, ist es totenstill. Christiane weint. Ich auch ein bisschen. Es wird danach noch heftiger. Etwa 3 Stunden schauen wir das Entsetzen der deutschen Geschichte während der Nazizeit an.


Aber es gibt auch Lichtblicke. „Gerechter der Völker“ werden Nichtjuden genannt, die jemand vor dem Tod bewahrten. Der bekannteste ist Oskar Schindler, bekannt geworden durch den Spielberg-Film "Schindlers Liste". Aber auch ein Essener ist darunter. Berthold Beitz, einer der bedeutendsten Wirtschaftsmanager im Nachkriegsdeutschland, den ich dienstlich noch kennen lernen durfte. Er rettete viele seine Arbeiter in Polen, darunter auch die Eltern vom bekannten Sportjournalisten Marcel Reif, vor dem sicheren Tod.
Um zurück in die Normalität zu kommen, besuchen wir ein Restaurant ganz in der Nähe der Gedenkstätte. Das tut gut nach Yed Vashem. Dort findet gerade eine Hochzeit statt. Wir sind zurück im Leben.


Leben herrschte auch am Vormittag in der Altstadt von Jerusalem. Es ist der heiligste Ort der Welt. Hier treffen sich Christen, Juden und Moslems an ihren heiligen Orten. Mengen drängen sich durch die schmalen Gassen. Noch enger wird es in der Grabeskirche. Reisegruppen aus der ganzen Welt schlängeln sich durch. Ich kriege einen Anschiss von einem amerikanischen Besucher wegen meines Hutes. Recht hat er. Ich bin aber nicht der einzige, der hier so rumläuft. Ich sehe viele Baseballmützen um mich herum. Für nicht religiöse Menschen erinnert der Trubel ein bisschen an kommerzielle Großveranstaltungen. Wir werden in der Altstadt beschützt von Jonny, dem israelischen Polizisten, der seit acht Jahren hier aufpasst. Kaum einer kennt die Probleme rund um die heiligen Stätten, so gut wie er. Nicht nur aus polizeilicher Sicht. Es ist sein letzter Arbeitstag in der Altstadt. Begleitet wird er von jungen schwer bewaffneten Polizistinnen.








Nach den bisherigen Bildungs- und Kulturveranstaltungen der letzten Tage feue ich mich morgen auf einen Badetag. Im Toten Meer.

Mittwoch, 29. Mai 2019

Israel - Mit 40 Menschen im Wohnzimmer


Michael Maor ist in Israel eine große Nummer. Der 86-Jährige erhielt heute Besuch von der gesamten Reisegruppe der International Police Association (IPA) sowie unseren Freunden aus Israel. Wir trafen uns in seiner Wohnung in Modi’in. Seine Ehefrau und seine drei Kinder samt Enkelin waren dabei. Der Vize-Präsident der IPA Deutschland Oliver Hoffmann war extra aus Deutschland angereist, um den Senior zu ehren: „Michael Maor ist ein wahrer Freund der IPA Deutschland, hat viel für die Aussöhnung und für die Polizi getan.“ Wenn man seine Lebensgeschichte kennt, nicht selbstverständlich. 1933 in Halberstadt geboren traf ihn das Schicksal wie viele Deutsche jüdischen Glaubens. Seine Eltern wurden Opfer der Nazi-Herrschaft. Er kam als Junge nach Israel. Später wurde er Fallschirmjäger der israelischen Armee und vom Geheimdienst Mossad angeworben. Maßgeblich war er bei der Inhaftierung vom Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann in Argentinien beteiligt. Danach machte er in der israelischen Armee Karriere. Schon in den 1950er-Jahren nahm er wieder Kontakt zu Freunden in Deutschland auf. Das Wohnzimmer vom 86-Jährigen war voller zugewandter Menschen. Für mich war der Festakt sehr berührend und jetzt schon ein Highlight dieser Reise. Besonders nach den Gesprächen mit seiner Ehefrau, mit der 52 Jahre verheiratet ist, und seiner Tochter. Sein Sohn war extra aus Kanada angereist. 

Der Besuch bei der Polizeiakademie in Bet Schemesch folgte. Hier werden alle israelischen Polizisten und Polizistinnen ausgebildet. Eine faszinierende Ausbildungsstätte. Im Schießkino machten Lea und Cüneyt aus unserer Reisegruppe, beide aus Essen, eine super Figur. Klasse Team. Unsere Kriminalpsychologin, zum ersten Mal eine Pistole in der Hand, erschoss leider eine Baby. Zum Glück war alles nur gespielt.




Danach ging es in ein Dorf von jüdischen Siedlern. Es befindet sich in der Westbank. Wir erhielten sehr viele Informationen über alltägliches und religiöses Leben. Und über die Motivation der rund 2300 Bewohner in 1000 Meter Höhe in Neve Daniel. Gegründet 1982. Ich kann die Menschen jetzt besser verstehen. 
Wir sind in Jerusalem angekommen. In den späten Abendstunden ist viel los aus den Straßen. Ein musizierendes Pärchen begeistert die Zuhörer besonders.

  

Dienstag, 28. Mai 2019

Israel – Menschen und Gaza


Unsere Reisegruppe besteht aus 29 Kolleginnen und Kollegen der International Police Association Deutschland, ganz bunt gemischt. Von der promovierten Kriminalpsychologin des Bundeskriminalamtes über den Wasserschutzpolizisten aus Mecklenburg-Vorpommern bis hin zur jungen Beamtin eines Einsatzabschnittes aus Berlin. Und dann sind da noch die Pensionäre. Dazu gehöre ich. Mit 66 Jahren der älteste Teilnehmer. Alterspräsident. „Siehst Du aber nicht nach aus“, sagt mir die Psychologin mit einem Augenzwinkern. Vielleicht wollte sie mich trösten.

Die beiden Wichtigsten auf der Reise sind aber der Fahrer des Busses Kaed und der Reiseleiter Yalon. Kaed (42) ist arabischer Israeli, verheiratet, 4 Kinder. Seine Familie stammt ursprünglich aus dem Jemen. Vor mehr als 100 Jahren kam sie ins Gebiet. Damals existierte der Staat Israel noch nicht. Er dirigiert den Reisebus durch die kleinsten Gassen von Tel Aviv. Bei der Rast am Gazastreifen brüht er für uns extra starken türkischen Kaffee auf kleinem Campingkocher auf. Wir trinken ihn sitzend im Kofferraum des Busses.


Die Biographie des Reisleiters Yalon liest sich wie ein Krimi. Der 61-Jährige mit langem Haar sieht aus wie ein gealterter Rockstar. Mit der Haartracht hatte er schon als junger Mann Schwierigkeiten beim Bundesgrenzschutz (heute Bundespolizei). Nach einigen Auslandseinsätzen und als Sicherheitsbeamter bei der Lufthansa konvertierte er 1989 zum Judentum und fand seine neue Heimat in Israel. Dort diente er als Soldat und „freiwilliger“ Polizist, später auch als Übersetzer und Berater für Holocaust-Opfer. Dann wurde er Reiseleiter und hat schon zahlreiche ausländische Besuchergruppen durch „sein“ Israel geführt, insbesondere aus dem Polizeibereich.


Heute fuhr er mit uns zunächst zu einem ehemaligen Kibbuz, das 1932 seinen Lernbetrieb aufnahm. 1945 baute die Hagana, eine paramilitärische Untergrundorganisation, eine geheime Munitionsfabrik unter der Wäscherei und der Bäckerei des Kibuzzes. Heute ist dort ein Museum. 45 Frauen und Männer fertigten damals 5 Millionen Patronen im Handbetrieb. Sie gingen ein hohes Risiko ein. Explosionsgefahr und Todesstrafe drohten. Das hätte sie erwartet, wenn die Mandatsmacht Großbritannien das illegale Treiben unter Tage entdeckt hätte. Nicht nur wir waren heute interessierte Besucher, sondern auch der amerikanische Filmstar Jason Biggs, der auch schnell für ein Selfie von und mit Manuel und Svenja herhalten musste. Die Cineasten kennen ihn aus dem Kultfilm American Pie.





Später. Ich hatte ein Gefühl wie vor mehr als 30 Jahren am Todesstreifen, der Deutschland zerschnitt. Wir standen am Gazastreifen, der Israel und Ägypten trennt. Auf dem  Autonomiegebiet leben etwa 1,8 Millionen Menschen. An der Grenze zu Israel kommt es immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Rund 20.000 Raketen flogen aus dem Gebiet schon in Richtung israelischer Städte. Die Armee reagiert mit militärischer Härte. In weiter Ferne sehen wir die Flagge der Palästinenser und Panzer der israelischen Armee, aber auch einen Bauer, der das Land bestellt. Wir stehen in Reichweite von Scharfschützen. Verrückte Welt.






Abends drehen wir noch eine Runde durch Tel Aviv, der Partnerstadt von Essen, und schauen uns in der „Weißen Stadt“ die Häuser der Bauhaus-Architektur an, die dort zwischen 1928 und 1945 entstanden. Gebaut von Deutschen, die vor ihren Mördern nach Israel flohen. „Jeckes“ wurden sie genannt, weil sie häufig Jackett und Krawatte trugen.

Der jüngere Teil unserer Reisegruppe nutze den letzten Tag in Tel Aviv zu einem Sprung ins Mittelmeer. Morgen geht es in Richtung Jerusalem.

Montag, 27. Mai 2019

Israel - Tel Aviv


Arye Sharuz Shalicar (42) wächst in Berlin auf. Er wird als Sohn persisch-jüdischer Eltern geboren. Das erfährt er erst im Alter von 13 Jahren. Bis dahin hat er mit Religion nichts am Hut. Seine Kumpels erfahren davon. Von da an wird er im Kiez gemieden und massiv angefeindet, sein bester Freund will mit ihm nichts mehr zu tun haben. Nur weil er Jude ist. Bis zu diesem Zeitpunkt war Arye Mitglied ein Jugendbande. Nun kriegt er mit voller Wucht den Antisemitismus seiner arabischen Kumpels zu spüren. Ausgegrenzt. Er macht später sein Abi und geht zur Bundeswehr. 2001 wandert er aus und geht nach Israel. Studiert. Der Junge aus Deutschland schafft es bis zum Major und wird Sprecher der israelischen Armee. Heute arbeitet der 42-Jährige für Auswärtige Angelegenheiten im Ministerium für Nachrichtendienste im Büro des israelischen Ministerpräsidenten. Ihn haben wir heute Abend in einem Vortrag über die Sicherheitslage in seinem Land kennen gelernt. Er lässt uns in die Seele der Israelis schauen. Zeigt die Ängste der Menschen auf, die fast alle auf ihren Handys eine App haben, die vor Raketenangriffen aus dem Gaza-Streifen warnen. Und dann kommt wieder der Junge aus Wedding durch: „Wenn Du überleben willst, musst Du dich wehren. Das ist die Strategie der Israelis. Mit undemokratischen Ländern kannst Du nicht diplomatisch umgehen, genau so wenig wie mit Familienclans im Ruhrgebiet und in Berlin. Vom Mikro zum Makro.“ Sei neuestes Buch beschäftigt sich mit dem Antisemitismus in Deutschland. Der Titel: Der neu-deutsche Antisemit.


Vormittags haben wir von unserem Reiseführer, dem Deutsch-Israeli Yalon, eine Menge über das kleine Land auf dem Weg entlang der Uferpromenade zur Altstadt nach Jaffa erfahren. Oder wisst ihr auf Anhieb was ein Palästinenser, ein Araber oder Israeli ist?  
Am Mittagstisch mit typischen Speisen aus  dem Gastland treffen wir auf einen älteren Herrn mit Vollbart. Er ist jemenitischer Jude und Besitzer des Restaurants. Auf dem Weg zum WC sehe ich, was er als junger Mann gemacht hat. Er war Soldat der israelischen Armee. Das präsentiert er seinen Gästen voller Stolz. Viele Fotos von ihm zieren den Aufgang ins obere Stockwerk, schon damals mit Rauschebart.


Danach besuchen wir die International Police Association Israel, unsere israelischen IPA-Freunde. Ein Ex-General begrüßt uns außerordentlich freundlich. Und drei Mal dürft ihr raten, worum es in den Gesprächen geht? Polizei, Sicherheit und Freundschaft unter Polizisten weltweit.


Eines fällt in Tel Aviv sofort auf. Nämlich das, worüber bei uns noch politisch gestritten wird. Elektroroller gehören hier längst zum Straßenbild dieser Stadt.