Am 20. Juli eines jeden Jahres denken wir an die Widerstandskämpfer
um Claus Schenk Graf von Stauffenberg, die nach dem missglückten Bomenattentat auf
Hitler hingerichtet wurden. 75 Jahre ist es her. Ich möchte an einen Essener
erinnern, der vom selben Richter nur wegen seiner schriftlichen Äußerungen zum
Tode verurteilt wurde.
Nach unangemessenen öffentlichen Kommentaren gegenüber der
Bundeskanzlerin oder anderen Politikern wird der eine oder andere schon mal für
kurze Zeit in den sozialen Netzwerken gesperrt. Bei Beleidigungen kann noch eine geringe Strafe die Reaktionen des Staates sein. Die Entrüstung ist groß,
die Meinungsfreiheit wird in Frage gestellt.
Es gab eine Zeit in Deutschland, da wurde man zum Tode
verurteilt, wenn man die herrschende Meinung oder die Staatsführung kritisierte.
Auch nur bei Satire.
Der Essener Wilhelm Josten hat es nicht einmal öffentlich
getan, sondern lediglich im privaten Briefverkehr mit seinem Freund August
Storch. Einer seiner Briefe kam in falsche Hände. Fortan unterlag sein
Schriftverkehr der Postüberwachung. Nach schweren Bombenangriffen 1944 in Essen
schrieb der 48-jährige u. a: „ Wann ist der Krieg zu Ende? Wenn wir drei Meere
haben: das Asowsche (Anmerkung: in der Ukraine), das Schwarze und das
Nichtsmehr? Und wenn an der Kreisleitung steht: Wegen Einberufung geschlossen.
[…] In Sizilien kämpfen wir bis zur letzten Zitrone. […] Krupp ist total im
Eimer, stellt auch keine Leute mehr ein […] Also, August, Sieg Heil! Hoffentlich
schnellsten. Wenn auch alles in Trümmern liegt. Hauptsache der Führer lebt! In
diesem Sinnen grüßt Dich Dein Freund Willy.“ Eindeutig bissige Ironie. Aber
Spaß können Diktaturen nicht verstehen. Schon gar nicht damals die Nazis. Der
Briefeschreiber wurde angeklagt und zunächst wegen Wehrkraftzersetzung in
Tateinheit mit Heimtückevergehen zu 2 Jahren Zuchthaus verurteilt. Glück
gehabt. Aber der Oberreichsanwalt legte Einspruch ein. Der Fall kam vor den
Reichsgerichtshof Berlin. Das Urteil vom berüchtigten Nazi-Vorsitzender Roland
Freisler, der auch die Widerstandskämpfer um Claus Schenk Graf Stauffenberg
hinrichten ließ, lautete: Tod durch das Fallbeil.
Am 27. November 1944 verlor eine Frau ihren Ehemann und zwei
Kinder ihren Vater.
(Quelle/ Foto: Lichter in der Finsternis von Dr. Ernt
Schmidt, erschienen im Klartext Verlag)
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