Verordnung zum
Schutz vor Neuinfizierungen mit dem
Coronavirus SARS-CoV-2 im Bereich der Betreuungsinfrastruktur (CoronaBetrVO) - Vom
2. April 2020
Auf Grund der §§ 32, 28 Absatz 1 Satz 1 und 2, 33 des
Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl I S. 1045) von denen § 28
Absatz 1 durch Artikel 1 Nummer 6 des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung
bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I
S. 587) neu gefasst worden ist, sowie des § 10 der Verordnung zur Regelung von
Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz vom 28. November 2000 (GV.
NRW. S. 701), der durch Artikel 3 der Verordnung vom 21. Januar 2017 (GV.
NRW. S. 219) geändert worden ist, wird verordnet:
§ 1 Schulische Gemeinschaftseinrichtungen
(1) Alle öffentlichen Schulen, Ersatzschulen und
Ergänzungsschulen im Sinne des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen
vom 15. Februar 2005 (GV.
NRW. S. 102), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. Juli 2018 (GV.
NRW. S. 404) geändert worden ist, sind geschlossen.
(2) Ausgenommen von Absatz 1 ist die Betreuung von
Schülerinnen und Schülern, in der Regel der Jahrgangsstufen 1 bis 6, mit
besonderem Betreuungsbedarf im Sinne von § 3 Absatz 1 in einer
Vor-Ort-Betreuung (Notbetreuung) in den Schulräumlichkeiten. Das Nähere regelt
das Ministerium für Schule und Bildung durch Erlass (insbesondere mittels sog.
SchulMails).
(3) Ebenfalls ausgenommen von Absatz 1 ist die Betreuung von
Schülerinnen und Schülern der jeweiligen Schule, wenn wegen einer
Kindeswohlgefährdung die Aufnahme in die Vor-Ort-Betreuung nach Absatz 2 als
Folge einer familiengerichtlichen Entscheidung oder im Rahmen von Maßnahmen
oder Schutzplänen nach § 8a des Achten Buches Sozialgesetzbuch erforderlich
ist. Die Aufnahme in die Vor-Ort-Betreuung kann auch erforderlich sein, wenn
die Schülerin oder der Schüler im regelhaften Schulbetrieb als Folge einer
Entscheidung nach den §§ 27 ff. des Achten Buches Sozialgesetzbuch am Offenen
Ganztag teilnimmt. Das Jugendamt hat vorrangig zu prüfen, ob das Kindeswohl
auch mit anderen verfügbaren Maßnahmen gewährleistet werden kann. Die
Entscheidung über die Notwendigkeit der Aufnahme in die Vor-Ort-Betreuung ist
von der Jugendamtsleitung oder einer von ihr benannten Person zu treffen und zu
dokumentieren; die Notwendigkeit der Aufnahme ist der Schulleitung schriftlich
zu bestätigen. Die Schulleitung kann die Aufnahme nur ablehnen, wenn
andernfalls die Durchführung der Vor-Ort-Betreuung insgesamt gefährdet wäre;
sie beteiligt das Jugendamt und die Schulaufsicht.
(4) Eine Ausnahme von Absatz 1 gilt auch für Dienstkräfte
der jeweiligen Schule zur Wahrnehmung dringend erforderlicher Dienstgeschäfte
(Abnahme von Prüfungen, Dienstbesprechungen).
§ 2 Kindertageseinrichtungen,
Kindertagespflegestellen, Heilpädagogische Kindertageseinrichtungen, Kinderbetreuungen
in besonderen Fällen
(1) Alle Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflegestellen,
Heilpädagogischen Kindertageseinrichtungen und Kinderbetreuungen in besonderen
Fällen (Brückenprojekte) haben in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich
Kindern im Alter bis zur Einschulung, Schülerinnen und Schülern sowie deren
Erziehungsberechtigen bzw. Betreuungspersonen den Zutritt zu
Betreuungsangeboten zu untersagen.
(2) Ausgenommen von Absatz 1 ist die Betreuung von Kindern
im Alter bis zur Einschulung sowie Schülerinnen und Schülern, wenn besonderer
Betreuungsbedarf im Sinne von § 3 Absatz 1 besteht.
(3) Eine Ausnahme von Absatz 1 gilt auch, wenn wegen einer
Kindeswohlgefährdung der Besuch eines der genannten Betreuungsangebote als
Folge einer familiengerichtlichen Entscheidung oder im Rahmen von Maßnahmen und
Schutzplänen nach § 8a des Achten Buches Sozialgesetzbuch erforderlich ist.
Dies gilt auch, wenn das Kind dieses Angebot bereits in Folge einer
Entscheidung nach den §§ 27ff. des Achten Buches Sozialgesetzbuch wahrgenommen
hat. Das Jugendamt hat vorrangig zu prüfen, ob das Kindeswohl auch mit anderen
verfügbaren Maßnahmen gewährleistet werden kann. Die Entscheidung über die
Notwendigkeit der Wiederaufnahme oder Fortsetzung der Betreuung ist von der
Jugendamtsleitung oder einer von ihr benannten Person zu treffen und zu
dokumentieren.
§ 3 Besondere
Betreuungsbedarfe
(1) Besonders betreuungsbedürftig im Sinne von § 1 Absatz 2
und § 2 Absatz 2 ist, wer der Personensorge mindestens einer Person unterliegt,
die zum Personal kritischer Infrastrukturen nach § 5 gehört und in ihrem
jeweiligen Tätigkeitsbereich unabkömmlich ist, sofern eine private Betreuung
nicht anderweitig verantwortungsvoll – unter Berücksichtigung der Empfehlungen
des Robert Koch-Instituts – organisiert werden kann oder die Ermöglichung
flexibler Arbeitszeiten und Arbeitsgestaltung (z.B. Home-Office) nicht
gewährleistet werden kann.
(2) Kinder mit besonderem Betreuungsbedarf nach Absatz 1
sollen betreut werden. Die Entscheidung zur Aufnahme in der Schule oder zur
Betreuung in einem Kindertagesbetreuungsangebot treffen die Leitungen der
jeweiligen Einrichtungen oder die Kindertagespflegestellen. Es gelten die
bestehenden rechtlichen Zuständigkeiten.
(3) Zwingende Voraussetzung der Entscheidung nach Absatz 2
sind:
1. der Nachweis, dass mindestens eine
personensorgeberechtigte Person nicht in der Lage ist, die Betreuung zu
übernehmen, weil sie in einer kritischen Infrastruktur nach § 5 tätig ist,
und
2. die schriftliche Erklärung des jeweiligen
Arbeitgebers, dass die Präsenz dieser personensorgeberechtigten Person am
Arbeitsplatz für das Funktionieren der jeweiligen kritischen Infrastruktur
zwingend notwendig ist (Unabkömmlichkeit); steht die in kritischer
Infrastruktur tätige Person nicht in einem Verhältnis abhängiger Beschäftigung
(Selbstständige), wird der vorgenannte Nachweis durch eine entsprechende
Eigenerklärung ersetzt.
§ 4 Tages- und
Nachtpflegeeinrichtungen, tagesstrukturierende Einrichtungen der
Eingliederungshilfe, Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation
(1) Sämtliche Tages- und Nachtpflegeeinrichtungen im Sinne
des Elften Buches Sozialgesetzbuch, tagesstrukturierende Einrichtungen der
Eingliederungshilfe (Werkstätten, Tagesstätten oder sonstigen vergleichbaren
Angebote) sowie Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation haben allen
Nutzerinnen und Nutzern den Zutritt zu versagen. Dies gilt insbesondere für
Bildungseinrichtungen für berufsvorbereitende und ausbildende Maßnahmen, die
sich an Menschen mit Behinderungen richten, wie z.B. Berufsbildungswerke,
Berufsförderungswerke, Berufliche Trainingszentren.
(2) Unter Ausnahme von Absatz 1 soll die Pflege und
Betreuung von Nutzerinnen und Nutzern erfolgen, die im eigenen häuslichen
Umfeld untergebracht sind und deren Betreuungs- oder Pflegeperson zum Personal
kritischer Infrastrukturen nach § 5 gehört, wenn diese Betreuungs- oder
Pflegeperson in ihrem jeweiligen Tätigkeitsbereich unabkömmlich ist und eine
private Betreuung insbesondere durch Familienangehörige oder die Ermöglichung
flexibler Arbeitszeiten und Arbeitsgestaltung (z.B. Home-Office) nicht
gewährleistet werden kann.
(3) Die Unabkömmlichkeit ist der betreffenden Einrichtung
gegenüber durch eine schriftliche Bestätigung des jeweiligen Arbeitgebers
nachzuweisen. Steht die in kritischer Infrastruktur tätige Person nicht in
einem Verhältnis abhängiger Beschäftigung (Selbstständige), wird der vorgenannte
Nachweis durch eine entsprechende Eigenerklärung ersetzt.
(4) Ausgenommen sind weiterhin Nutzerinnen und Nutzer, deren
pflegerische oder soziale Betreuung für den Zeitraum, in dem sie sich
normalerweise in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) aufhalten, nicht
sichergestellt ist. Die Träger der WfbM sind angehalten, für die betroffenen
Personen eine Betreuung im notwendigen Umfang sicherzustellen. Sie sollen zu
diesem Zweck mit Anbietern von Wohneinrichtungen zusammenarbeiten.
(5) Ausgenommen sind zudem diejenigen Rehabilitandinnen und
Rehabilitanden, die einen intensiven und persönlichen Betreuungsaufwand
benötigen, dem im häuslichen Rahmen nicht entsprochen werden kann. Für diese
Teilnehmenden kann auf Wunsch der Personensorgeberechtigten oder auf
Bedarfsmeldung des oder der Teilnehmenden im Einzelfall nach Entscheidung der
Schulleitung ein Betreuungsangebot vor Ort in der Einrichtung sichergestellt
werden. Da dieser Personenkreis zur besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppe
gehört, sind entsprechende Schutzmaßnahmen zu beachten. Zur Flankierung der
kontaktreduzierenden Maßnahmen kann, soweit möglich, das Unterrichtsgeschehen
auf virtuelle Lernwelten umgestellt werden und durch die Bildungsträger weiter
begleitet werden.
(6) Ausgenommen sind außerdem Nutzerinnen und Nutzer von
Tages- und Nachtpflegeeinrichtungen im Sinne des Elften Buches Sozialgesetzbuch
, deren häusliche Versorgung bei Wegfall der teilstationären Pflege und
Betreuung glaubhaft gefährdet wäre. Über die Gewährung einer Ausnahmeregelung
entscheidet die Leitung der bisher genutzten Einrichtung im Einzelfall unter
Abwägung der Gesamtumstände – insbesondere der erhöhten Gefahren durch das
neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 einerseits und einer drohenden unzureichenden
häuslichen Versorgung sowie verbesserter Schutzvorkehrungen bei einer
Reduzierung der Zahl der in der Einrichtung zu versorgenden Personen
andererseits.
(7) Die Regelung des Absatzes 1 Satz 1 gilt auch für
interdisziplinäre oder heilpädagogische Frühförderstellen, heilpädagogische
Praxen und Autismuszentren, soweit eine Betreuung nicht medizinisch dringend
notwendig ist. Dasselbe gilt für Betreuungsgruppen, die als Angebote zur
Unterstützung im Alltag im Sinne der Anerkennungs- und Förderungsverordnung
(AnFöVO) anerkannt wurden.
(8) Zu den in Absatz 2 sowie den Absätzen 4 bis 7
bestimmten Ausnahmen gilt, dass ein zumutbarer Transport für den Hin- und
Rückweg sicherzustellen ist, der die derzeit besonderen Risiken durch eine
Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 berücksichtigt.
§ 5 Kritische
Infrastruktur
(1) Kritische Infrastrukturen (KRITIS) sind Organisationen
oder Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei
deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche
Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere ernsthafte Folgen eintreten
würden.
(2) Die nachstehende Liste über die Personenkreise
kritischer Infrastrukturen lehnt sich an die Verordnung zur Bestimmung
kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz vom 22. April 2016 (BGBl. I S.
958), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 21. Juni 2017 (BGBl. I S. 1903)
geändert worden ist,
(https://www.gesetze-im-internet.de/bsi-kritisv/BJNR095800016.html.) an. Sie
wird stetig fortentwickelt. Danach handelt es sich um Personal kritischer
Infrastrukturen bei in den folgenden Bereichen Tätigen:
1. Sektor Energie:
- Strom, Gas, Wärme und Kraftstoffversorgung (inklusive
Logistik),
- Einrichtungen zur Entstörung und Aufrechterhaltung der
Netze;
2. Sektor Wasser, Entsorgung:
- hoheitliche und privatrechtliche Wasserversorgung und
Entsorgung,
- Einrichtungen zur Entstörung und Aufrechterhaltung der
Netze;
3. Sektor Ernährung, Hygiene:
Produktion, Groß- und Einzelhandel (inklusive Zulieferung,
Logistik);
4. Sektor Informationstechnik und Telekommunikation:
insbesondere Einrichtungen zur Entstörung und
Aufrechterhaltung der Netze und der Kommunikationsinfrastruktur;
5. Sektor Gesundheit:
- insbesondere Krankenhäuser, Rettungsdienst, Pflege,
niedergelassener Bereich, Medizinproduktehersteller, Arzneimittelhersteller,
Apotheken, Labore,
- veterinärmedizinische Notfallversorgung;
6. Sektor Finanz- und Wirtschaftswesen:
- insbesondere Kreditversorgung der Unternehmen,
Bargeldversorgung, Sozialtransfers,
- Personal der Bundesagentur für Arbeit, der Jobcenter und
der Sozialhilfeträger zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes (insbesondere
Auszahlung des Kurzarbeitergeldes),
- Personal im Bereich der Sozialversicherungen;
7. Sektor Transport und Verkehr:
- insbesondere Betrieb für kritische Infrastrukturen,
öffentlicher Personennah- und Personenfern- und Güterverkehr,
- Personal der Deutschen Bahn und nicht bundeseigenen
Eisenbahnen zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes,
- Personal zur Aufrechterhaltung des Flug- und
Schiffsverkehrs,
- Personal der Post- und Paketzustelldienste (insbesondere
im Zustelldienst);
8. Sektor Medien:
insbesondere Nachrichten- und Informationswesen sowie
Risiko-und Krisenkommunikation;
9. Sektor staatliche Verwaltung (Bund, Land, Kommune)
- Kernaufgaben der öffentlichen Verwaltung und Justiz,
Polizei, Bundeswehr, Zoll, Feuerwehr, Katastrophenschutz, Justizvollzug,
Veterinärwesens, Lebensmittelkontrolle,
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Asyl- und Flüchtlingswesen einschließlich Abschiebungshaft,
Verfassungsschutz, aufsichtliche Aufgaben, Finanzverwaltung sowie Hochschulen
und sonstige wissenschaftlichen Einrichtungen, soweit sie für den Betrieb von
sicherheitsrelevanten Einrichtungen oder unverzichtbaren Aufgaben zuständig
sind,
- Gesetzgebung/Parlament;
10. Sektor Schulen, Kinder- und Jugendhilfe,
Behindertenhilfe:
- Sicherstellung notwendiger Betreuung in Schulen,
Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflege, stationären Einrichtungen der
Kinder- und Jugendhilfe und Einrichtungen für Menschen mit Behinderung,
- notwendige Hilfe- und Schutzangebote der Kinder- und
Jugendhilfe sowie Hilfe- und Schutzangebote für weitere schutzbedürftige
Personen.
§ 6 Vorrang,
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
(1) Die Bestimmungen dieser Verordnung gehen
widersprechenden und inhaltsgleichen Allgemeinverfügungen der nach dem
Landesrecht für Schutzmaßnahmen nach § 28 Absatz 1 des
Infektionsschutzgesetzes zuständigen Behörden vor. Unbeschadet davon
bleiben die nach dem Landesrecht für Schutzmaßnahmen nach § 28 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes
zuständigen Behörden befugt, im Einzelfall zur Abwehr einer konkreten Gefahr
auch von dieser Verordnung abweichende Anordnungen zu treffen.
(2) Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung in
Kraft und mit Ablauf des 19. April 2020 außer Kraft.
Düsseldorf, den 2. April 2020
Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales
des Landes Nordrhein-Westfalen
Karl-Josef L a u m a n n
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