Wer meine Frau und mich kennt, weiß wen wir besonders mögen. Über
viele Jahrzehnte verfolgen wir seine Musik, sein Spiel, seine Komik, sein Leben.
Herman van Veen, mit dem einen N am Ende des Vornamens und der Glatze. Sabine
sagte mal: „Ich liebe zwei Männer, dich und Herman.“ Das schönste Kompliment. Weil
ich ihn auch liebe. Gestern wurde der Holländer 74 Jahre alt. Und in seiner
Stadt Utrecht erschoss jemand drei Menschen. Aber ich wollte etwas anderes von
ihm erzählen. Der Niederländer mit der sanften und doch so kräftigen Stimme und
dem formidablen Geigenspiel hatte vor ein paar Tagen einen Autounfall im Norden
auf dem Weg zu einem Konzert. Im Unfallprotokoll der Polizei wird der VU (amtliche
Abkürzug für Verkehrsunfall) wahrscheinlich so oder so ähnlich wieder zu finden
sein: „Der Unfallbeteiligte 02 befuhr die Straße in nördliche Richtung, gefolgt
von dem Unfallbeteiligten 01 (Anmerkung: 01 ist immer der vermeintliche
Unfallverursacher).Der 02 musste an einer Einengung abbremsen, der 01 fuhr
ungebremst auf das Fahrzeug vor ihm auf. Der Fahrer des 01 und die beiden Insassen
im Font (03,04) klagten über Nackenschmerzen und wollen selbstständig einen
Arzt aufsuchen. Es entstand hoher Sachschaden.
Jetzt kommt Herman van Veens Version, die er noch am selben Tag in die soziale Netzwelt posaunte bzw. fidelte: „Klatschen. Mit einer Geschwindigkeit von Hundert fuhren wir durch
eine sanfte hügelige norddeutsche Landschaft, Regen, Windböen Schneeschauer. Ich
sah ein Reh. Noch in Gedanken auf dem Rücksitz sitzend dachte ich an den
Klimamarsch von Amsterdam. Wäre gerne dabei gewesen, zusammen mit Robin. Rette
das Klima, bald ist es zu spät, nichts zu tun ist teurer. Hoffentlich wird das
Wetter besser als heute. Die Straße verengt sich, die Autos stoppen in letzter
Sekunde. Quietschende Bremsen. Simon, der Fahrer, weiß es, geschickt rechtzeitig
anzuhalten. Wir stehen direkt hinter einem Mitsubishi. Es ist ruhig, stütze
mich, es dauert eine lange Zeit. Jetzt kommt der Schlag. Es ist, als wenn sich
ein Nashorn durch den Kofferraum bohrt. Edith (Anmerkung: Edith Leerkes, seine
musikalische Begleiterin und hervorragende Gitarristin) neben mir schreit. Simons
Kopf dreht sich nach links. Die Rückenlehne des Rücksitzes hämmert zurück, etwas
passiert mit meinem Hals. Halte den Atem an, Wische die Tränen von Ediths
Wangen. Frage Simon, ob er okay ist. Wage es nicht, an meine Geige zu denken. Wir
warten, warten. Denke, fühle es. Alles funktioniert noch. Ziegelstein im Kopf, Knick
im Nacken, Dämpfer im Rücken. Schritte von älteren Menschen unter Schock. Das
Auto hinter uns sieht aus wie eine Stahlversion eines aufgeblähten Hängebauchschweins.
Der Fahrer lebt noch. Er hat die Farbe eines Toten. Krämpfe mit weißen Knöcheln
am Steuer. Für einen Moment schien alles vorbei zu sein, Liebe, Dinge, der Gesang.
Sonne bricht durch die Wolken, ein Reh springt an einem Weißdorn vorbei und wir
wissen es sicher, wir leben. Abends erzähle ich zwischen meinen Liedern Witze, Schmerzen und
Geschichten. Vor allem unser Segen. (Ende der freien Überzeugung mit Hilfe des Google
Übersetzers)
Herman, wenn doch alle meine Polizeikolleginnen und
-kolleginnen so schöne Unfallberichte schreiben würden. Ich schlage dich
hiermit für den Verkehrsunfall-Literaturnobelpreis vor. Toot ziens. Bis zum 16.
Mai.
Mit einem Wort - Lyrik!
AntwortenLöschenDanke, Uwe, das wäre sonst an mir vorübergegangen. :-)