Dienstag, 19. März 2019

Herman van Veens Unfallschilderung ist preisverdächtig

Wer meine Frau und mich kennt, weiß wen wir besonders mögen. Über viele Jahrzehnte verfolgen wir seine Musik, sein Spiel, seine Komik, sein Leben. Herman van Veen, mit dem einen N am Ende des Vornamens und der Glatze. Sabine sagte mal: „Ich liebe zwei Männer, dich und Herman.“ Das schönste Kompliment. Weil ich ihn auch liebe. Gestern wurde der Holländer 74 Jahre alt. Und in seiner Stadt Utrecht erschoss jemand drei Menschen. Aber ich wollte etwas anderes von ihm erzählen. Der Niederländer mit der sanften und doch so kräftigen Stimme und dem formidablen Geigenspiel hatte vor ein paar Tagen einen Autounfall im Norden auf dem Weg zu einem Konzert. Im Unfallprotokoll der Polizei wird der VU (amtliche Abkürzug für Verkehrsunfall) wahrscheinlich so oder so ähnlich wieder zu finden sein: „Der Unfallbeteiligte 02 befuhr die Straße in nördliche Richtung, gefolgt von dem Unfallbeteiligten 01 (Anmerkung: 01 ist immer der vermeintliche Unfallverursacher).Der 02 musste an einer Einengung abbremsen, der 01 fuhr ungebremst auf das Fahrzeug vor ihm auf. Der Fahrer des 01 und die beiden Insassen im Font (03,04) klagten über Nackenschmerzen und wollen selbstständig einen Arzt aufsuchen. Es entstand hoher Sachschaden.
Jetzt kommt Herman van Veens Version, die er noch am selben Tag in die soziale Netzwelt posaunte bzw. fidelte: „Klatschen. Mit einer Geschwindigkeit von Hundert fuhren wir durch eine sanfte hügelige norddeutsche Landschaft, Regen, Windböen Schneeschauer. Ich sah ein Reh. Noch in Gedanken auf dem Rücksitz sitzend dachte ich an den Klimamarsch von Amsterdam. Wäre gerne dabei gewesen, zusammen mit Robin. Rette das Klima, bald ist es zu spät, nichts zu tun ist teurer. Hoffentlich wird das Wetter besser als heute. Die Straße verengt sich, die Autos stoppen in letzter Sekunde. Quietschende Bremsen. Simon, der Fahrer, weiß es, geschickt rechtzeitig anzuhalten. Wir stehen direkt hinter einem Mitsubishi. Es ist ruhig, stütze mich, es dauert eine lange Zeit. Jetzt kommt der Schlag. Es ist, als wenn sich ein Nashorn durch den Kofferraum bohrt. Edith (Anmerkung: Edith Leerkes, seine musikalische Begleiterin und hervorragende Gitarristin) neben mir schreit. Simons Kopf dreht sich nach links. Die Rückenlehne des Rücksitzes hämmert zurück, etwas passiert mit meinem Hals. Halte den Atem an, Wische die Tränen von Ediths Wangen. Frage Simon, ob er okay ist. Wage es nicht, an meine Geige zu denken. Wir warten, warten. Denke, fühle es. Alles funktioniert noch. Ziegelstein im Kopf, Knick im Nacken, Dämpfer im Rücken. Schritte von älteren Menschen unter Schock. Das Auto hinter uns sieht aus wie eine Stahlversion eines aufgeblähten Hängebauchschweins. Der Fahrer lebt noch. Er hat die Farbe eines Toten. Krämpfe mit weißen Knöcheln am Steuer. Für einen Moment schien alles vorbei zu sein, Liebe, Dinge, der Gesang. Sonne bricht durch die Wolken, ein Reh springt an einem Weißdorn vorbei und wir wissen es sicher, wir leben. Abends erzähle ich zwischen  meinen Liedern Witze, Schmerzen und Geschichten. Vor allem unser Segen. (Ende der freien Überzeugung mit Hilfe des Google Übersetzers)
Herman, wenn doch alle meine Polizeikolleginnen und -kolleginnen so schöne Unfallberichte schreiben würden. Ich schlage dich hiermit für den Verkehrsunfall-Literaturnobelpreis vor. Toot ziens. Bis zum 16. Mai.

1 Kommentar:

  1. Mit einem Wort - Lyrik!
    Danke, Uwe, das wäre sonst an mir vorübergegangen. :-)

    AntwortenLöschen