Freitag, 7. August 2015

Berliner Bär


Fast (alle) Essener kennen sie – die Stahlstraße. Der Begriff „Stahl“ ist in Essen Programm. Die Stadt ist auf Kohle und Stahl gebaut. Herr Hitler missbrauchte die hiesige Metallproduktion mit dem Halbsatz: „…der deutsche Junge der Zukunft muss […] hart wie Kruppstahl sein.“

Zurück zur Stahlstraße. Die Sackgasse (!) ist eine so genannte Laufstraße. Die älteste in Deutschland. Seit über 100 Jahren bieten Frauen dort ihre Dienste an. Früher nannte man diesen Ort Dirnenwohnheim.

Meine ersten Polizeischritte absolvierte ich - noch nicht volljährig - mit 18 Jahren als Oberwachtmeister in der Essener Innenstadt, meist an der Hand eines älteren Kollegen der „Gerlingwache“. Das war 1971. Die Volljährigkeit begann damals mit 21 Lebensjahren.
Manchmal wurden wir von einsamen auswärtigen Autofahrern mit fremdem Städtekennzeichen ein bisschen verschämt nach dem Weg zum Bordell an der Stahlstraße gefragt.

Polizeiobermeister Tom J. antwortete immer im gespielten stregen Amtston wie folgt:„Bordell? Haben wir in Essen nicht. Es gibt nur einen Puff. Also, Sie fahren jetzt immer geradeaus. Dann kommen Sie zu einem großen runden Platz. Das ist der Berliner Platz. Da steht ein Bär. Und wo sein Schwanz hinzeigt, da ist der Puff.“

Meist stiegen die Männer danach mit roten Ohren ins Auto.

Die Wegbeschreibung trifft heute noch zu. Nach einigen Jahren Abwesenheit steht der Bär wieder an seiner alten Stelle. Nur im Gegensatz zu früher befindet sich jetzt zwischen ihm und der Stahlstraße das Arbeitsamt. Glauben Sie nicht?

„Also, Sie fahren jetzt immer geradeaus…“

Fotos: Blick in die Stahlstraße in Richtung Uni und Rathaus. Der Berliner Bär war während der Umbauphase des Berliner Platzes verschwunden. Jetzt steht er wieder auf seinem angestammten Platz.


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