Donnerstag, 27. August 2020

US-Polizisten und deutsche Polizisten - der Unterschied

Seit Wochen hält sich beharrlich ein Thema in den Medien und wird öffentlich heftig diskutiert: Polizeigewalt in den Vereinigten Staaten. Zurzeit sind nach einem Schusswaffengebrauch eines Cops in Kenosha im Bundesstaat Wisconsin wieder Unruhen ausgebrochen, in deren Verlauf zwei Menschen von einem 17-Jährigen erschossen wurden. Der amerikanische Präsident D. Trump will Bundespolizisten in die Region schicken. Denn er kennt nur eine Antwort: Härte.

Auch in Deutschland gehen  Menschen auf die Straße, um gegen vermeintliche Polizeigewalt  zu demonstrieren. Am Wochenende floppte so ein Protest in Düsseldorf. Rund 5000 Demonstranten meldete der Ausrichter an, etwa 300 kamen dem Aufruf nach. Trotzdem „befeuern“ bestimmte politische Parteien und Medien die Debatte. Aber was macht denn überhaupt den Unterschied aus? Amerikanische Polizisten handeln ganz anders als deutsche. Das hat auch seine Gründe?

Mein bayrischer Kollegen Lothar Riemer hat darüber einen längeren Artikel geschrieben. Er weiß, wo von er spricht. Nach 41 Jahren im Polizeidienst in verschieden Funktionen - vom Streifendienst über die Kripo und einigen Auslandseinsätzen bis hin zum Polizeilehrer – ist er jetzt in Pension gegangen. Er engagiert sich seit Jahren für Kinder im Verein „Lachen helfen e.V.“ Nehmt Euch die Zeit.

Motorradpolizist in New York

  

Gebt den US-Cops eine Chance – ein Erklärungsversuch

Was mach den Unterschied von deutschen und amerikanischen Polizisten aus?

 von Lothar Riemer, Polizeihauptkommissar a.D.

 „Ich kann nicht atmen“, dieser Hilfeschrei des getöteten George Floyd führt derzeit in den USA zu gewaltsamen Protesten und Ausschreitungen. Denkmale werden beschädigt, verschmiert und oftmals zerstört. Eine Gewaltwelle erschüttert das Land und „Unter Beschuss“, im wahrsten Sinne des Wortes, dabei die Polizeibehörden der Vereinigten Staaten von Amerika.

Fast alle Medien hierzulande sind sich darüber einig, dass die Sicherheitsbehörden (u.a. State Police, Sheriffs Department oder Metropolitan Police) zu schlecht ausgebildet, zu rassistisch und zu gewalttätig seien. Dem möchte ich mit diesem Artikel entschieden widersprechen und eine Lanze für unsere Kolleginnen und Kollegen in den USA brechen.

Seit über 30 Jahren habe ich enge Kontakte zu einer Vielzahl von PolizistenInnen in den verschiedensten Diensträngen und Sicherheitsbehörden. Ich besuchte Polizeiakademien, fuhr Einsätze und hielt Vorträge bei diversen Dienststellen. Mehrmals habe ich längere Zeit in Auslandseinsätzen mit US-PolizistenInnen zusammengearbeitet. Ich gewann über die vielen Jahre einen tiefen Einblick in die Strukturen und Denkweise der Polizeibehörden und deren Mitarbeiter. Ich möchte daher ein paar Erklärungsversuche machen; nicht zuletzt, da auch die deutsche Polizei im Fokus von Rassismus und Polizeigewalt steht.

Der Autor - Polizeihauptkommissar Lothar Riemer

Ohne Zahlen geht es nicht

Um Fake-News entgegen zu wirken, lassen wir erst einmal nackte Zahlen sprechen. Die offiziellen Behördenseiten und das Statistic Research Department geben hierbei Auskunft. Siehe da, die tatsächlichen Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache.

Derzeit gibt es in den USA ca. 1 Millionen (13% schwarze) Polizeikräfte. Im Jahr 2019 wurden in den USA 50.000 Schusswaffengebräuche registriert, davon 15.000 getötete Personen.

Im gleichen Jahr gab es bei den Sicherheitsbehörden ca. 1.000 tödliche Schusswaffengebräuche (14 in Deutschland), wovon 235 getötete Personen schwarzer Hautfarbe waren. Da der Bevölkerungsanteil in den USA bei Schwarzen bei ca. 13 % liegt, ist das Verhältnis zu Weißen getöteten daher im Verhältnis höher. Aber die Kriminalitätsbelastung innerhalb der schwarzen Bevölkerung ist überdurchschnittlich hoch; daher auch ein erklärbarer vermehrter Schusswaffengebrauch gegen schwarze Straftäter.

Bei diesen Tötungsdelikten durch PolizistenInnen waren die Straftäter zu annähernd 95 Prozent bewaffnet. Dazu zählen auch Anscheinswaffen. Von einer vermehrten Tötung unbescholtener Afro-Amerikaner kann also keine Rede sein.

Durch die genannten reellen Zahlen, erscheinen die pauschalen Vorverurteilungen der US-Sicherheitsbehörden in einem anderen Licht. 

Ist die US-Polizei rassistisch?

Aus meiner langjährigen Erfahrung muss ich diese Aussage grundsätzlich verneinen. Wiewohl es in Deutschland rechtsradikale Tendenzen oder Kriminelle innerhalb der Polizei gibt, so gibt es bei über 1 Millionen. PolizistenInnen in den USA natürlich auch Rassisten und korrupte Mitarbeiter. Von einer rassistischen Polizei darf aber meines Erachtens nicht gesprochen werden. Die innerbehördlichen Kontrollmechanismen würden dem schon einen Riegel vorschieben. Solche Gewaltexzesse wie im Fall Floyd sind vehement zu verurteilen, aber nicht die Regel. Unabhängig davon, dass Georg Floyd unter Drogen und Alkohol stand, mit Falschgeld bezahlen wollte und ein einschlägig vorbestrafter Täter war; was auch zur gesamten Wahrheit gehört.

Dass es unterschwelligen Rassismus innerhalb der Bevölkerung und damit auch bei der Polizei gibt, möchte ich in keinster Weise verneinen. Es geht bei dem, in der Öffentlichkeit diskutierten Thema, jedoch um einen offenen und radikalen Rassismus, der hier verneint werden muss.

Ist die Polizei schlecht ausgebildet?

In Maryland oder Georgia braucht ein Friseur 1.500 Ausbildungseinheiten (AE), um zertifiziert zu werden. Ein Polizeibeamter bekommt beispielhaft in der Ausbildung 408 AE (Georgia) und in Maryland 1.168 AE. In anderen Bundesstaaten sieht es nicht besser aus. Schwerpunkt an den Akademien sind hier das „Überlebenstraining auf der Straße“ und rudimentäres Rechtswissen. Handlungskompetenz wird oftmals mit 10 AE abgehandelt.

Zum Vergleich: Bei der Bayerischen Polizei erhält ein Beamter in der Ausbildung 4.900 AE, wovon schon allein 500 Stunden für Polizeiliches Einsatztraining und 162 Stunden Kommunikation und Konfliktmanagement angesetzt sind. Die Zahlen sprechen somit für sich.

Ja, die Sicherheitskräfte an der Basis sind in den USA, neutral betrachtet, schlechter ausgebildet als in Europa. Diese Meinung vertritt u.a. auch Dr. Jason Amstrong, Criminal Justice Professor und langjährig zertifizierter Polizeiausbilder. Siehe hierzu die angeführten Literaturhinweise unten. 

Fairerweise muss erwähnt werden, dass in der Regel jeder Rekrut (Rookie) nach der Ausbildung einem FTO (Field Training Officer) zugeteilt wird, der dem Rookie „das Laufen lernt“. Somit erhöht sich die Ausbildung meistens auf ungefähr ein Jahr. Dies ersetzt jedoch in keinster Weise eine fundierte Ausbildung in sozialer und interkultureller Kompetenz, sowie sicherem Rechtswissen. Learning by doing kann eben nicht eine umfangreiche schulische Ausbildung wie bei uns ersetzen.

Polizisten in New York - immer freundlich und hilfsbereit

Bildungsgrad innerhalb der US-Polizei

Die US-Polizeibehörden rekrutieren zum größten Teil ehemalige Soldaten (Kriegsveteranen). Diese sind natürlich anders konditioniert (militärisch) und oftmals auch durch Auslandseinsätze traumatisiert. Viele PolizistenInnen haben nur einen Highschool-Abschluss, der unserem Qualifizierten Hauptschulabschluss gleich zu setzten ist. Lediglich das FBI und Secret Service verlangen einen Bachelor Abschluss (laut Auskunft des FBI Repräsentanten in Frankfurt/Main). Möchte ein Polizist/Polizistin in der polizeilichen Hierarchie aufsteigen, muss er/sie sich privat fortbilden und entsprechende Diploma vorweisen. Eine zweijährige bezahlte Qualifizierung zur 2. oder 3. QE ist in den USA undenkbar und wird oftmals nur mit Kopfschütteln zur Kenntnis genommen. 

Ich möchte betonen, dass gerade in der Kriminaltechnik und Forensik viele Bereiche hervorragend arbeiten, da diese oftmals bei der Staatspolizei (State Police) angesiedelt, jedoch in vielen ländlichen Gemeinden und Sheriff Counties nicht vorhanden sind. Umfangreiche Ausbildung hinsichtlich Erstem Angriff und Spurensicherung wie in Deutschland sind in der Basisausbildung der Polizeikadetten in den USA nicht vorgesehen.

Strukturen innerhalb der Polizei

Die Polizeibehörden sind streng hierarchisch strukturiert und ein „Yes Sir, no Sir“ ist obligatorisch. Kooperatives oder situatives Führen ist nahezu unbekannt. Junge PolizistenInnen haben sich zu fügen und müssen meist auch mit den ungeliebtesten Diensten vorliebnehmen. Widerspruch, gerade in der Ausbildung, ist verpönt. Auch hier schlägt die militärische Komponente eine große Rolle. Dies erklärt auch, warum die anderen Kollegen nicht einschritten, als es offensichtlich zur Überreaktion des einschreitenden Polizisten im Falle George Floyd kam. Dem „Senior  Chief“ fährt man nicht in die Parade, auch wenn es offensichtlich eines Widerpruchs bedarf.

Leider ist, gerade in den Ballungszentren, die Polizei nicht ein Teil der Bevölkerung. PolizistenInnen leben oftmals in einer Subkultur und nicht selten auch in sogenannten „Cop Lands“. Ein Polizist/Polizistin wird in der Bevölkerung akzeptiert, aber eben nicht „zum Kindergeburtstag eingeladen“. Viele MitarbeiterInnen scheinen sich damit abgefunden zu haben und pflegen ein intensives Miteinander im Privatleben. Dies fördert oftmals den Gedanken: „Wir gegen Die“. Siehe hierzu unten angeführte Doktorarbeit von Dr. Karen E. Richter (Kanada). Cops bewegen sich auch privat unter Ihresgleichen; ein Freundeskreis außerhalb ist eher selten.

 Gewalttätige Bevölkerung

Der 2. Zusatzartikel der US-Verfassung (von 1791) verbietet der Bundesregierung, Gesetze gegen den Besitz und das Führen von Waffen zu erlassen. Marginale Einschränkungen sind von den Bundesstaaten möglich, werden meist aber nicht angewandt. Die Bevölkerung liebt ihre Waffen (auch Kriegswaffen) und ist dementsprechend Gewalt geneigt. Die Rechtsprechung lässt einen Schusswaffengebrauch durch Bürger in vielen Fällen auch zu. Beispielhaft sei hier das „drive by car shooting“ oder der sanktionierte Schusswaffengebrauch bei Hausfriedensbrechern genannt.

Solch eine gewalttätige Bevölkerung (Zahlen dazu siehe oben) kann natürlich nur mit einer entsprechend aggressiven Sicherheitsbehörde in Schach gehalten werden. Eine liberale und deeskalierende Polizeitaktik wie hier zu Lande wäre in den USA undenkbar. Jede Personen- und Fahrzeugkontrolle muss vor diesem Hintergrund durchgeführt werden. Im Jahr 2018 wurden 106 PolizistenInnen im Dienst getötet. Im Jahr 2016 waren es sogar 159! Da Solostreifen aus Kostengründen in den USA obligatorisch sind, ist während der Kontrolle der Griff zur Dienstwaffe nur umso verständlicher und martialisches Auftreten nachvollziehbar.

Da es in den USA keine Bereitschaftspolizeien (analog Deutschland) gibt, erscheinen die polizeitaktischen Maßnahmen gegen radikale Massenproteste oftmals übertrieben hart und unkoordiniert. In solchen Fällen wird leider die Nationalgarde (militärisch ausgebildet) zur Unterstützung herangezogen. Die von Präsident Trump derzeit angedrohten Bundespolizisten gibt es de facto so nicht. Oftmals ist dies ein zusammengewürfelter Haufen, u.a. aus FBI, Secret Service und Marshalls, deren polizeiliches Handeln nicht von Einsatztaktik geprägt ist. Geschlossene Einsätze und dazugehörende Kräfte, wie in Deutschland, sind in den USA gänzlich unbekannt.

 Diese negativen Erfahrungen mit Einsatzzügen aus Einzeldienstbeamten hatten wir, nur am Rande bemerkt, zu Einsatzzeiten von Wackersdorf, Startbahn West und Brokdorf ebenso gemacht und die Lehren daraus gezogen.

Cop in New York - oftmals allein unterwegs

 Ausrüstung und Bezahlung

Viele PolizistenInnen verdienen sich mittels Nebenjob Geld, da die Bezahlung meist am unteren Niveau angesiedelt ist. Jede Gemeinde bzw. Kommune ist für die Ausrüstung und Bezahlung ihrer Polizei selbst verantwortlich. Ausnahme hierbei das FBI und Secret Service. Reiche Gemeinden oder Städte sind eher die Seltenheit. Wer gibt schon gerne Geld für Sicherheitsbehörden aus. Positve Beispiele sind hier eher selten, wie z.B. San Jose im Silikon Valley oder Dallas/Texas. Die Ausrüstung ist meist, entgegen den unrealistischen Kriminalfilmen, unterdurchschnittlich. Allein die riesigen unpersönlichen Großraumbüros wären für deutsche PolizistenInnen ein Albtraum. Von Weihnachtsgeld und 30 Tagen Urlaub ganz zu schweigen. 14 Tage sind hier der Standard. Lediglich die Krankenversorgung gilt als großer Pluspunkt; was in Deutschland nicht der Rede wert ist.

Vor ein paar Jahren erhielten die US-Polizeibehörden aus der Not heraus, ausgemusterte Militärausrüstung im Wert von 4,3 Milliarden Dollar. Man stelle sich in Deutschland vor, die Bundeswehr würde die Polizei mit ausgemusterten Maschinengewehren, Panzerfahrzeugen etc. ausrüsten. 

Ist die Bevölkerung bereit zu Veränderungen?

Weder das Verbot von Schusswaffen, noch eine umfangreiche Polizeiausbildung sind politisch derzeit durchsetzbar. Hinzu kommt das derzeit aufgeheizte politische Klima innerhalb der Bevölkerung, das sich in unversöhnlichen demokratischen und republikanischen Lagern wiederfindet. Hinzu kommt, dass die Polizei Spielball der Politik geworden ist und je nach Parteizugehörigkeit des/der BürgermeisterIn oder PolizeichefIn missbraucht wird. Als aktuelles Beispiel kann der Fall des auf Bewährung entlassenen Rayshard Brooks in Atlanta dienen. Die Umstände sind noch nicht völlig geklärt und ein Schusswaffengebrauch, nach derzeitigem Stand, wäre auch hierzulande gerechtfertigt gewesen. Normalerweise ermittelt der dortige Bezirksstaatsanwalt mit Ermittlungsbeamten der Kriminalpolizei, um dann eine Entscheidung zu treffen. In diesem Fall wurde der Schütze jedoch sofort entlassen; gegen den Willen der Polizeichefin von Atlanta, Erika Schields. Diese wollte die Ermittlungen abwarten. Frau Keisha Lance Bottoms, Bürgermeisterin von Atlanta, empfiehlt sich derzeit jedoch als Kandidatin der Vizepräsidentin von Joe Biden und wollte öffentlich ein Exempel statuieren, was ihr auch gelang. Dass dies alles auf dem Rücken der US-Polizei ausgetragen wird, erleichtert die Arbeit dieser nicht.

Trotzdem, das Ansehen der Sicherheitsbehörden ist beim überwiegenden Teil der Bevölkerung sehr gut, wenn auch in den Medien (derzeit) negativ überzeichnet dargestellt. Warum sollte also etwas am System geändert werden; noch dazu viel Geld und Personal notwendig wäre?

Die junge Generation wünscht sich zwar eine andere (besser gar keine) Polizei, Geld dafür will aber keiner in die Hand nehmen. Derzeit postulierte Maßnahmen, wie Reduzierung der Polizei und Aufstockung der Sozialarbeiter darf aber nicht grundsätzlich verneint werden. Der Grund dafür ist, dass die Polizei oftmals Sozial- und Jugendarbeit durchführt, was eigentlich nicht deren Kernaufgabe ist. Insofern wäre eine Verlagerung zu originären Stellen sicherlich zielführend. Auch in Deutschland neigt die kommunale Politik dazu, den örtlichen Polizeibehörden Sozialaufgaben zuzuweisen. Beispielhaft seien hier genannt: Selbstbehauptungslehrgänge für Frauen oder Schüler, Sektenbeauftragte, Beauftragte für Frauen und Kinder, Verkehrserziehung, KontaktbeamteInnen. Hier lässt sich trefflich streiten, ob dies zur Kernaufgabe der Polizei gehört. Umso vehementer wird diese Diskussion im gewinnorientierten Amerika geführt. Sicherheit darf eben nicht viel kosten.

 

Wie ist die Realität?

Abschließend möchte ich betonen, dass es mir in keinster Weise zusteht, die US-Behörden zu kritisieren oder über deren fachliche Kompetenz und Engagement zu urteilen. Meine Erfahrung ist, dass in den Polizeidienststellen eine engagierte und soweit möglich, gute Arbeit geleistet wird. „To serve and protect“ sind keine hohlen Phrasen. Deshalb auch dieser Artikel, der Verständnis und Hintergrundwissen vermitteln möchte.

Mit der deutschen Polizeiarbeit ist die Arbeit der dortigen Sicherheitsbehörden nicht vergleichbar. Wir haben eine grundlegend andere Ausbildung, anders sozialisiertes Personal und vor allem (derzeit noch) eine relativ friedliebende Gesellschaft. Sollte sich die Radikalisierung von Jugendlichen weiterhin so fortsetzen, wird es auch mit der deeskalierenden Polizei in Deutschland bald vorbei sein.

All die, in Deutschland so selbstverständlichen Dinge, sind leider in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht gegeben und sollten uns davor bewahren, unsere Kolleginnen und Kollegen dort zu verurteilen. Diese kämpfen derzeit an verschiedensten Fronten.

Lothar Riemer engagiert sich seit Jahren für Kinder in Lachen helfen e.V.

 

Literaturhinweis:

Dr. Jason Amstrong „The Quiet Cop“, „Leader Without Title“ Dr. Karen E. Richter „Policing in Germany – Culture and Communication in Police“

 Quellenhinweis: Statistic Researche Department und Datausa.io

 

Infos zum Autor im Netz….

http://www.polizei-poeten.de/index.php?page=31&rec=73&sortt=

https://polizistmensch.de/?s=Riemer

https://www.lachen-helfen.de

Samstag, 22. August 2020

Polizeieinsatz in Hamburg - Aufreger

Ein  Junge (15), sehr schwergewichtig und größer als die Polizisten, die vor ihm stehen, sperrt sich gegen seine Festnahme. Zwei Polizistinnen und zwei Polizisten haben enorme Schwierigkeiten, den Jugendlichen zu überwältigen. Er ist eben ein Schwergewicht. Die Polizisten befinden sich in einer anderen Gewichtsklasse. Sie halten die Situation aber relativ stabil, trotz der lauten Ansprache eines Beamten. Und jetzt beginnt für mich der eigentliche Aufreger. Eine Frau filmt und kommentiert den Vorgang mit ihrem Handy.

Sie schreit: „Er tut doch nichts.“ Eine Polizistin: „Er wehrt sich gegen uns und nicht anders herum.“ Die Frau: „Das kann ich mir nicht ansehen.“ Sie filmt allerdings weiter und  kommentiert lautstark: „Dieser Mann (!) hat Probleme, sonst würde er das niemals machen. Er tut doch nichts.“ Der stabile Junge sperrt sich weiterhin gegen seine Personalienfeststellung in Form der Festnahme. Sie schon fast hysterisch: „Was tut ihr ihm an. Entspannt euch.“ Die einzige, die unentspant ist, ist die filmende Frau. Offensichtlich hat sie ihr Kind dabei. Ihr letzer Satz in dem Handy-Video lautet: „Wie gehen nach Hause, mein Schatz.“(Kurzfassung)

Anmerkung: Mit Unterstützungskräften wird der Jugendliche später nach rund 4 Minuten überwältigt.

Die Hamburger Polizei nimmt zum Einsatz Stellung:

https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/6337/4682594

 

Donnerstag, 20. August 2020

Polizeieinsatz - kluger Leserbrief

Es ist alles nur geklaut, sangen einst "Die Prinzen". „Der eine klaut vom anderen“. Die Worte meines alten Polizeilehrers „Opa Klück“, wie er wegen seiner nachsichtigen Unterrichtsart genannt wurde, habe ich noch im Ohr. Damals 1978 auf der Höheren Polizeischule in Münster. Er meinte mit dem Satz aber nicht den klassischen Diebstahl nach dem Strafgesetzbuch, sondern den Diebstahl vom geistigen Eigentum. Er zielte auf die "jungen Polizeiräte" ab, die uns angehenden Kommissaren ihre angeblich eigenen Druckerzeugnisse verkaufen wollten.

Polizeischule Stukenbrock 1972
Polizeischüler Klein in Stukenbrock 1972
 

Heute klaue ich auch. Und zwar den Leserbrief zum Polizeieinsatz in Düsseldorf von Torsten van der Velden aus Voerde, erschienen in meiner Tageszeitung NRZ:

"Wo bleibt das „Entsetzen“ darüber, dass ein 15-Jähriger (!) ohne Grund und ohne Respekt Polizisten angreift und deren Einsatz behindert – eine Straftat begeht. Ein Beispiel von immer mehr Vorfällen. Die meist einseitige Berichterstattung über solche Vorfälle und das Verhalten sowie die Artikulation von einigen Politikern befeuern doch nur, dass die Polizei von ohnehin regelverachtenden Menschen immer weniger ernst genommen werden, diese sich sogar schon lustig machen, weil ihnen die Polizei ohnehin „nichts kann“. Täter werden sozialer behandelt als Opfer. Es muss endlich mit der Realität umgegangen und konsequent gegen Täter reagiert werden. Tatsachen muss man beim Namen nennen dürfen, ohne gleich in eine „Ecke“ gestellt zu werden. Viele Täter sind nach Festnahme schnell auf freiem Fuß, Urteile oft zu lasch, Polizisten müssen sich zu viel gefallen lassen. Ihre Arbeit und somit die Rechtsordnung in unserem Staat benötigt deutlich mehr politischen Rückhalt, unsere Gesetze geben das her. Einzelnes Fehlverhalten der Polizei gehört aufgearbeitet und abgestellt und nicht künstlich aufgebauscht. Der Arbeit der Polizei gebührt Respekt und Wertschätzung!“

Hätte von mir sein können, ist aber geklaut. Danke, Erster Polizeihauptkommissar „Opa Klück“ für deine klugen Worte. Danke, Torsten van der Velden aus Voerde für den Leserbrief. Danke, NRZ für die Veröffentlichung.

Dienstag, 4. August 2020

Ade, alte Polizeischule

Die Polizeischule an der Norbertstraße im Stadtteil Bredeney ist Geschichte. Am Wochenende zogen alle Dienststellen aus. Rund 800 Polizeibedienstete wechseln zu ihrem neuen Arbeitsplatz. Nur einen Steinwurf entfernt in einen modernisierten Gebäudekomplex der „Karstadt-Hauptverwaltung“. Eine organisatorische Meisterleistung.

1929 geplant, in den Folgejahren im Bauhausstil gebaut. 1934 erfolgte der Einzug der ersten Polizeieinheiten. Da war die Liegenschaft noch kleiner als als jetzt. Die streng bewachte Eingangspforte lag an der Norbertstraße (jetzt Nebenfahrbahn der A52). Neue Gebäude und der Hubschrauberladeplatz kamen hinzu. Generationen von Polizisten waren dort oben untergebracht, viele auch mit ihren Familien, oder saßen dort auf der Schulbank. Selbst eine Reiterstaffel fand hier ihr Zuhause, genauso wie Einsatzhundertschaften. Im Krieg zog das Polizeibataillon 67 von der Norbertstraße aus nach Polen, um seine mörderischen Taten zu begehen.

Nach dem Krieg erfolgte die Umbenennung „Landespolizeischule für Technik und Verkehr“. Jahre danach wurde die Liegenschaft ein Teil der Bereitschaftspolizei II Bochum. Aber immer waren auch Dienststellen des Polizeipräsidiums Essen hier zu Hause, wie die Spezialeinheiten, Verwaltungsdienststellen, die Autowerkstatt, der Verkehrsdienst oder der Polizeiärztliche Dienst. 1986 kamen die alten Gebäude auf die Denkmalliste der Stadt Essen. In den 1990er-Jahren erfolgte die Übernahme der Liegenschaft an die Essener Polizei und wurde so zur Außenstelle des Präsidiums. Kritisch könnte man jetzt anmerken: Von da ab ging’s bergab.

Ich persönlich war mit der „alten Polizeischule“ in meiner knapp 45-jährigen Dienstzeit immer eng verbunden: 1969 Aufnahmeprüfung, 1976 einjährige Teilausbildung zum gehobenen Polizeidienst, 1979 sieben Jahre Spezialeinsatzkommando (SEK), viele Seminare und Fortbildungsveranstaltungen, ab 2014 Tätigkeiten bei der International Police Association (IPA) mit dem Polizeimuseum.

Als ich am Sonntagabend durch die Eingangspforte das Gelände verließ, beschlich mich schon ein wenig Wehmut. Ich werde die alte Polizeischule vermissen.






Fotos (c) Uwe Klein

Samstag, 1. August 2020

Beerdigung des Rechtsstaats

Rund 750 (!) Personen nahmen an der Beisetzung eines Mitglieds einer Großfamilie in Essen-Stoppenberg  teil, berichten die Tageszeitungen. Im Netz ist eine heftige über den Verlauf Debatte entbrannt.

Zur Erinnerung:  Bei Beerdigungen sind ab dem 15. Juli 2020 höchstens 150 Teilnehmer erlaubt. Das Abstandsgebot und die Maskenpflicht gelten dabei nicht, soweit geeignete Vorkehrungen zur Hygiene und zur einfachen Rückverfolgbarkeit sichergestellt sind.

Die  Behörden ließen eine  Überschreitung von 500 (!) Prozent zu. Ich weiß persönlich von Trauerfeiern, an denen mit Beginn der Corona-Pandemie nur vier (!) Angehörige teilnehmen durften. Später wurden es mehr. Und die Bestatter und auch die Familien achteten darauf, dass in der Regel die Vorschrift beachtet wurde.

Bei der jetzigen Beisetzung in Essen-Stoppenberg auf dem islamischen Feld des Friedhofs „Am Hallo“ schauten die Behörden bei dieser großen Anzahl der Trauernden untätig zu.

Tags zuvor berichteten die Tageszeitungen noch unter der Überschrift „Vorbereitung auf Clan-Beerdigung“ über die Strategie der Stadtverwaltung. Im Artikel heißt es u. a., man wolle einen größeren Andrang durch verkehrslenkende Maßnahmen reagieren. Auch für Clan-Treffen gelte ohne Wenn und Aber die Corona-Schutzverordnung, […].“ Die Polizei wird wie folgt zitiert: „Wenn mehr Menschen auf dem Friedhof drängen sollten als erlaubt, werde man im Sinne der Null-Toleranz-Strategie einschreiten.“

Das islamische Grabfeld auf dem Hallo-Friedhof

Und einen Tag später begründete die Ordnungsbehörde ihr Nichtstun: “Die Stadt verweist darauf, dass man der Familie, die sich sehr kooperativ gezeigt habe, den Raum geben wollte, in Ruhe und Frieden vom Verstorbenen Abschied zu nehmen.“ Also, dieses Statement hätte die Sprecherin auch schon vorher abgeben können, denn eine Beisetzung sollte immer in Ruhe und Frieden stattfinden. Von der Polizei war nach der ausufernden Teilnehmerzahl nichts zu hören.

Das Einknicken der Behörden ist Wasser auf die Mühlen von rechts-konservativen  politischen Kräften. Und der Normalbürger wird das Argument: “Bei der Großfamilie haben sie weggeguckt“, als Entschuldigung für sein Fehlverhalten nutzen. Bei diesem Fall wurde nicht nur ein Mitglied einer Großfamilie beerdigt, sondern auch gesetzliche Normen eines Rechtsstaates.