Samstag, 24. Oktober 2020

Kein Arsch in der Hose

Keine Angst, es wird nicht politisch. Es bleibt persönlich. Ich erinnere mich an Sprüche aus meiner Jugendzeit. „Kein Arsch in der Hose, aber Kamm in der Tasche.“ Die Steigerung: „Kein Arsch in der Hose, aber La Paloma pfeifen.“

Nach meiner OP im September trifft der erste Teil der beiden Sätze auf mich zu. Also, kein Arsch mehr in der Hose. Zu meiner körperbetonten Hochzeit brachte ich etwa 80 Kilogramm auf die Waage. Der Spruch eines Kollegen: „Wenn Du so weitermachst, siehst Du bald aus wie Dirk Bach.“ Von da ab ging’s peu à peu mit den Kilos bergab. Nach meinem Wiener Infarkt vor 5 Jahren bis auf 71 Kilogramm. Mein Ehrgeiz war geweckt. Ich wollte die 70-Kilohürde knacken. So wie ich einmal in meiner Jugend wog, als noch Sport im Mittelpunkt meines Alltags stand. Jetzt habe ich es geschafft. Ohne Training, ohne Diät. In nur fünf Wochen.

Selbstbildnis von hinten
Die OP war verantwortlich, als man mir den Durchzug der Liebe wegnehmen musste - meinen Magen. Ich kann alles Essen. Nur in kleinen Mengen und alle zwei bis drei Stunden. Ich kratze zurzeit an der 60kg-Grenze, habe aber schon 300 Gramm zugenommen. Und mit dem Gewichtsverlust einhergehend wird die Kleiderfrage zum Thema. Bei meiner jetzigen Marathonfigur kann ich in meine Buxen ein Laib Brot reinstecken. Gestern war ich mal auf Shopping-Tour. In der Männerkollektion wurde ich nicht fündig. Alles nur ab Größe 48 (USA 30) aufwärts. Da half nur noch die Damenabteilung. Ich trage jetzt Größe 38 (!). Liebe Frauen, nicht neidisch werden.

Samstag, 3. Oktober 2020

Systemrelevante Engel

Systemrelevant. Was für ein holpriges Wort, das viele vor der Corona-Pandemie noch gar nicht kannten. Es wird meist im Zusammenhang mit Berufen erwähnt. Als systemrelevant werden Unternehmen, kritische Infrastrukturen oder Berufe bezeichnet, die eine derart bedeutende volkswirtschaftliche oder infrastrukturelle Rolle in einem Staat spielen, dass ihre Insolvenz oder Systemrisiken nicht hingenommen werden können oder ihre Dienstleistung besonders geschützt werden muss. (Quelle: Wikipedia) Diese Definition liest sich auch nicht besser.

Ein Lächeln von Lareen heilt

Nach drei Wochen Aufenthalt im Huyssenstift der Kliniken Essen Mitte auf der Station „Grillo“ beinhaltet der Begriff jetzt für mich viele Namen: Lareen, Jana, Chris, Jasmin, Daniela, Sylvia, Micki, Polina, Alina, Tara, Sabine, Areti, Jan, Steffi, Kristina, Rüdiger, Alessandra, Martin, Dirk und viele mehr. So heißen nämlich der Prof., die Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte und der Hausmeister. Rund 600 Betten hat die Klinik, „meine“ Station 30. Ich liege seit Mitte September in einem. Patient auf Zimmer 1.303. Fast noch im Hochsommer reingekommen.

Herzen hinter der Maske

Als Patient wird man zum Kleinkind. Hilfe rund um die Uhr wird benötigt. Zumal der Eingriff an mir nicht ohne war. Rund vier Stunden geschnitten und genäht. Bei mir liegt jetzt nichts mehr schwer im Magen, auch die Liebe geht nicht mehr durch. Er ist weg. Fast jede Bewegung und Handlung fällt anfangs schwer. Alle, aber wirklich alle, damit schließe ich den Hausmeister Dirk, die Putzfrau Ibis und die Servicekräfte mit ein, sind großartig. Freundlich, hilfsbereit, kompetent. Keine Schwestern Rabiata oder "Götter in Weiß" mehr wie früher, als man sich eher im Knast wähnte als in einer Klinik.

Visite - Spaß am Krankenbett mit den Ärztinnen

Kaum geklingelt, steht schon jemand im Krankenzimmer. Höfliche Umfangsformen sind an der Tagesordnung. Anklopfen. Danke. Bitte. Gerne. Ein „Ruhrpottmädchen“ habe ich besonders ins Herz geschlossen. Alia, 22 Jahre alt, aus Oberhausen. Ihre direkte Ansprache hat mir besonders gut gefallen: „Na, Herr Klein, haben Sie Piene?“ und mit einem Augenzwinkern: „ Stellen Sie sich nicht so an, Sie liegen hier doch nur so rum?“ Manchmal braucht auch der Patient einen Tritt in den Hintern. Alia darf das. Als Sie jetzt wieder zur weiteren Ausbildung muss und sich mit den Worten: „Alles Gute, mein Lieblingspatient“, verabschiedet, muss der harte, ehemalige SEK-Mann ganz schön schlucken.

Jetzt weiß ich, was systemrelevant bedeutet. Diesen Engeln wünsche ich die Wertschätzung, die ihnen zusteht. Nicht nur mit dem Herzen, sondern auch im Portmonee! Wenn alles klappt, darf ich Anfang nächster Woche nach Hause. Welche Freude. Aber irgendwie werde ich meine Systemrelevanten im Huyssenstift vermissen.

Training für den Neuaufbau

P.S. Und an die Ausländer-Raus-Schreihälse gerichtet. Ganz viele von meinen Schutzengeln sind nicht in Deutschland geboren. Ohne sie wäre unser Gesundheitssystem, sorry, nämlich im Arsch. Also, Schnauze halten, vielleicht braucht ihr die ausländischen Engel auch einmal.