Donnerstag, 20. Dezember 2018

Frauen der Bergleute


Das Grubenlicht geht aus. Morgen endet im Ruhrgebiet die Geschichte des Bergbaus. Die letzte Zeche „Prosper Haniel“ macht dicht. Schicht im Schacht. In unseren Familienunterlagen habe ich einen Artikel aus der GELSENKIRCHNENER ALLGEMEINEN ZEITUNG gefunden, geschrieben von der jungen Journalisten Liselotte Bachmann, meiner Schwiegermutter, Ende der 1930er-Jahre.

„Die Städte an der Ruhr schlafen noch, aber auf den Fördertürmen schwirren bereits die Seilscheiben im Widerspiel, und durch ihre Nuten gleiten die schweren Förderseile, die die Körbe auf und nieder bewegen, während die Leuteförderung durch Glockengedröhn angekündigt wird und das entsprechende Signal zum Fördermaschinisten kommt, holpert ein Milchwagen über das Kopfsteinpflaster, und die Hufe des Pferdes schlagen aus dem Stein kärgliche Funken. Der Bergmann beginnt sein Tag…Die Kleider, die er auf dem Wege trägt, hängen in der Waschkaue. Er steht auf der Brücke, die Kaffeepulle über der Schulter, wartet darauf, dass er den Korb zur Seilfahrt betreten kann.In sausender Fahrt geht's dann hinunter in die Tiefen, die den schwarzen Diamanten bergen.“ Meine Schwiegermutter kannte sich als Bergmannstochter aus. Ihr Vater Friedrich war ein ganz spezieller Kumpel. Markscheider auf der Zeche „Hugo“ in Buer in Westfalen, als die kleine Stadt am Rande des Ruhrgebiets noch selbstständig war. Die  Vermessungsingenieure unter Tage wurden so genannt. Das Ehepaar Bachmann mit drei Töchtern wohnte privilegiert in einem so genannten Steigerhaus in der Beisenstraße.Gewidmet war dieser Artikel allerdings nicht den Bergmännern, sondern deren Ehefrauen. Deshalb lautete auch die Überschrift: „TAPFERE FRAUEN AN DER RUHR“ Weiter im Text: „Noch bevor der Bergmann seine Tag beginnt, ist sein Kamerad, seine Frau, auf den Beinen, um ihn für die Arbeit auszurüsten. Die „ Butters“ sind kräftig einzupacken, um sie vor Kohlenstaub zunächst einmal zu schützen, zum anderen muss ihre Verpackung so widerstandsfähig sein, dass sie die Drahtschlinge aushält, an der die Brote zum Schutze gegen die Mäuse unter Tage aufgehängt werden. Möglichst abwechslungsreich sollen die „Kniften“ und möglichst handfest müssen sie sein. Der Kumpel will wissen, dass er etwas zwischen die Zähne hat, wenn es ans „Buttern“ geht. Und außerdem: Ist’s ein guter Kaffee, dann darf die Pulle, umso größer sein, weil ja auch der Steiger, wenn er seinen Gang durchs Revier macht, gerne einen Zug aus der Blechkanne macht.“ Der Artikel endet mit dem Satz: „Die Frau ist in der Familie des Bergmanns das, was der Feldwebel in der Kompanie darstellt. Ihr Leben fließt nach der Uhr ihres Mannes dahin.“ (Liselotte Bachmann, Gelsenkirchener Allgemeine Zeitung, etwa 1938). So war das damals. Glückauf…

Sonntag, 16. Dezember 2018

Unser Sitznachbar


Einer der glücklichsten Menschen am diesem Wochenende war unser Sitznachbar Edmund Seib in der Essener Philharmonie. Der 92-Jährige fand sich im Programm zum Weihnachtskonzert der Essener Polizei in einer Reihe mit Wolfgang Amadeus Mozart, Joseph Haydn und Georg Friedrich Händel wieder. Sein vor vielen Jahren komponiertes Lied „Weihnachtsfreuden in den Bergen…“ sang der Polizeichor mit Orchester- und Orgelbegleitung. Das Lied habe er vor vielen Jahren komponiert. „Da lebte meine Frau noch. Sie starb vor 19 Jahren.“ Angereist aus Ueberbach in der Nähe von Frankfurt besuchte der Senior alle drei ausverkauften Konzerte am Samstag und Sonntag in der Philharmonie. „Das Weihnachtskonzert der Essener Polizei ist das beste, das ich kenne“, sagte der Senior. Er muss es wissen. Leitete er doch selbst fast 50 Jahre einen Männerchor, ist über 75 Jahre Mitglied des Hessischen Sängerbundes und musikalisch in ganz Deutschland unterwegs. Sportlich hat Edmund Seib ebenfalls für Furore gesorgt. Er war Weltmeister, Europameister, deutscher Meister, das -zig Mal in mehreren Disziplinen. Noch mit über 75 Jahren wurde er Weltmeister im Zehnkampf. Sein Leben widmete Edmund Seib der Musik und dem Sport, titelte eine Lokalzeitung aus Anlass seines 90. Geburtstags. Und neben der Einstimmung auf Weihnachten durch die Musik war der 92-Jährige auch für uns eine Bereicherung. „Halten Sie Ihre Frau gut fest. Das ist das wichtigste", gab er mir mit einem Klaps auf die Schulter auf den Heimweg.

Sonntag, 9. Dezember 2018

Allison - Ich habe Krebs II

Könnt ihr euch an Allison erinnern? Vor einem Monat habe ich über ihre Rückenmarktransplantation berichtet. Das 14-jährige Mädchen liegt immer noch im Essener Klinikum. Sie wünschte sich an ihrem Geburtstag, dass ihr „Youtube-Video“ aus ihrem eigenen Kanal „JustAllison“ durch die Decke geht. Das gibt ihr Kraft. Jetzt hat sie ein neues ins Netz gestellt. Sie berichtet über den Verlauf ihrer Krebserkrankung und lässt sich vor laufender Kamera ihre schönen Locken abschneiden. Ja, sie ist ein verdammt mutiges und starkes Kind. Nein, ein Kind ist sie bestimmt nicht mehr. Alle Kinder, die ich bislang im Hundertwasserhaus der McDonald’s Kinderhilfe kennengelernt haben, sind anders als gleichaltrige gesunde Kinder. Einfach erwachsener. Schaut euch das Video an.
Ihre Mutter Marianne kommentiert es mit den Worten von Allison:"Mama, durch meine Krankheit werden viele Menschen beten.“ Vielleicht werden wir demütiger, wenn wir es ansehen, gerade jetzt, wo wir stramm durch die geschmückten Geschäfte auf Weihnachten zu marschieren. An dem Beispiel des holländischen Mädchens müssten wir doch alle lernen, worum es im Leben wirklich geht.

Dienstag, 27. November 2018

Teurer Stinkefinger


Weil er einem Polizisten in der Gemeinde Hürtenwald in der Nähe von Düren den „Stinkefinger“ gezeigt hat, wurde jetzt ein Autofahrer vom Amtsgericht  wegen Beleidigung zu 1200 Euro Geldstrafe verurteilt. Beim Vorbeifahren an einer Geschwindigkeitsmessstelle des Verkehrsdienstes machte der 45-Jährige diese respektlose Geste. Dabei war seine Aufregung ganz umsonst. Die Polizei: "Er habe sich geärgert und geglaubt, wegen zu hoher Geschwindigkeit erwischt worden zu sein.“ Irrtum. Dem war nicht so. Dümmer als die Polizei erlaubt, könnte man seinem Verhalten noch beifügen. Mein Dank geht an den Richter beim Amtsgericht Düren.

Sonntag, 11. November 2018

100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg - Wie Opa Willi den Krieg überlebte


Eigentlich verdanke ich mein Leben einem Regimentsarzt im 1. Weltkrieg. Ohne ihn gäbe es mich nicht. Also, im weitesten Sinne. Die folgende Geschichte hat mir mein Großvater zig Mal erzählt. Meist hörte ich sie sonntags im Bett, während Oma in der Küche das Frühstück zubereitete und jedes Lied im Radiogottesdienst textsicher laut mitschmetterte. („Ein feste Burg ist unser Gott“). Opa Willi war junger Soldat im 1. Weltkrieg. 21 Jahre alt. Eingezogen im Dezember 1914 als Schütze in das Garde-Schützen-Bataillon in Berlin-Lichterfelde. Darauf war er sein Leben lang stolz.
Der erste Weltkrieg dauerte da schon ein halbes Jahr. Opa war auf den Kriegsschauplätzen in Frankreich und Russland eingesetzt. In den Schützengräben lagen sich die Soldaten auf Rufweite gegenüber. Nahe Popeljany im Osten traf ihn eine Kugel ins linke Schulterblatt, drang in den Körper ein und blieb im Lungenflügel stecken. So wusste ich schon als Steppke, was ein Lungensteckschuss ist. Eigentlich der sichere Tod. Und so landete Opa Willi auch bei den auf dem Schlachfeld eingesammelten Gefallenen. „Gestorben für Kaiser und Vaterland“ hätte in der Benachrichtigung für seine Eltern gestanden. Hätte.
Ein Regimentsarzt musste jedoch vor dem endgültigen Aus und dem Verscharren in riesigen Massengräbern, die Gefallenen, aufgebahrt in Reih und Glied, noch im Schnelldurchgang in Augenschein nehmen. Opa röchelte genau in dem Moment, als der Arzt in seiner Höhe war. “Der lebt noch, ab mit ihm ins Lazarett“, vernahm Schütze Wilhelm Distelrath noch. Das geschah am 26. April 1916. Mein Opa überlebte. Die so genannte Schrabnellkugel, der tödliche Inhalt einer Granate, hatte er zur Erinnerung behalten. Ein Mordsding in meinen kindlichen Augen. In seinem Pass stand bis zu seinem Tod als besonderes Kennzeichen: Narbe am linken Schulterblatt. Für den 2. Weltkrieg war mein Großvater zu alt, obwohl in seinem Nachlass noch ein Wehrpass zu finden ist. Bedingt kriegsverwendungsfähig steht darin. Opa Willi führte ein bescheidenes, zufriedenes Leben als Eisenbahner, war über 65 Jahre mit Oma Lina verheiratet und starb im hohen Alter von 96 Jahren.


Freitag, 9. November 2018

Novemberpogrome vor 80 Jahren – „Freund und Helfer“ als Mittäter


Ich schäme mich für meinen Berufsstand. Zumindest für die Zeit von 1933 bis 1945. Die Polizei war Teil des mörderischen Staatsapparates. „Ich bin in Blut gewatet“, sagte mir mal ein älterer Kollege, mit dem ich 1972 als junger Schutzmann im Kamerawagen des Verkehrsdienstes saß. Einfach so. Wollte er etwas los werden. Ich war mit meinen 19 Jahren zu jung oder zu dumm, um nachzufragen. Ein anderer erzählte, dass er bei Erschießungen im Gefängnishof dabei gewesen war. „Aber nur als Zeuge“, betonte er ausdrücklich. Auf der Borbecker Wache arbeitete ein Polizist, der offen mit der Zugehörigkeit zur Waffen-SS prahlte. Jedes Jahr trafen sich die alten Kameraden. Kein Vorgesetzter zügelte ihn. Das war 1976. Von der Polizeikaserne an der Norbertstraße startete das Reserve-Polizeibataillon 67, das an Deportationen und Erschießungen tausender Menschen in Polen beteiligt war. Sie und ihre Prügelknechte quälten und prügelten mich erbarmungslos im Polizeipräsidium.“ Zitat eines Festgenommenen. In seiner Verzweiflung sprang er aus dem 2. Stock des Polizeigebäudes. Die Essener Polizei hat ihre schäbige Rolle im so genannten Dritten Reich nie aufgearbeitet.
Auch nicht bei ihrem 100. Jubiläum im Jahre 2009. Da wurde von der Polizeipräsidentin eine historische Chance vertan. Das sagte einer ihrer Vorgänger am Ende des Festaktes. Deutsche verfolgten, deportierten und ermordeten Landsleute oder Ausländer im Dritten Reich. Nur weil diese einen anderen Glauben hatten oder nicht in ihr Weltbild passten. Der „Freund und Helfer“ schaute weg oder machte kräftig mit. „Als Nazischergen die Essener Synagoge am 9. November 1938 anzündeten, befanden sich hohe Polizeioffiziere und Mannschaftsdienstgrade unter den Gaffern. Ich habe heute einige „Stolpersteine“ in Essen-Werden fotografiert. Drei davon befinden sich auf dem Schulhof des Werdener Gymnasiums. Auf einem steht der Name Felix Steeg, der sich im Juni 1939 im Alter von 45 Jahren in bedrängter Situation im Polizeipräsidium das Leben nahm. Und in diesem Gebäude habe ich über 20 Jahre gearbeitet. Ich schäme mich.

Donnerstag, 8. November 2018

Polizeischule - update

Durch behördliche Fehleinschätzung in der Vergangenheit wird die ehemalige Polizeikaserne und Polizeischule aufgegeben. Für mich nach wie vor ein Skandal. Jahrelang wurden keine Sanierungsmaßnahmen an der denkmalgeschützten Immobilie vom Eigentümer BLB (Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW) vorgenommen. Trotzdem bezahlte die Essener Polizei Millionenbeiträge an Miete. Bis der amtierende Polizeipräsident Frank Richter die Reißleine zog. Der ideale Standort für die Polizei musste aufgegeben werden. Ein Umzug in die nahegelegene Karstadt-Hauptverwaltung ist beschlossene Sache. 2019 sollen die Kisten gepackt werden. Jetzt berichtet die Neue Ruhr Zeitung (NRZ), dass der Termin wahrscheinlich nicht eingehalten werden kann. https://www.nrz.de/staedte/essen/vermarktung-der-alten-polizeischule-in-essen-wird-geprueft-id215728713.htm Info: Die Hauptgebäude im Bauhaus-Stil wurden Anfang der 1930er-Jahre gebaut, zunächst für geschlossene Einheiten. Eine wechselhafte Nutzung schloss sich an.

Mittwoch, 7. November 2018

Allison (14): Ik heb Kanker - Ich habe Krebs

Ich kenne Allison noch mit kahlem Kopf. Da wohnte sie im letzten Jahr mit ihren Eltern Marianne und Erik im Hundertwasserhaus der McDonald’s Kinderhilfe im Grugapark. Jeden Tag musste sie zur Bestrahlung ins nahegelegene Protonenzentrum. Der dunkle Wuschelkopf auf dem Foto von heute täuscht. Das 14-jährige holländische Mädchen ist schwer krank. Krebs. Seit Jahren kämpft der junge Körper gegen diese tückische Krankheit. Eine hochdosierte Chemotherapie und eine ausgedehnte Bestrahlung hat Allison schon hinter sich. Die Ärzte im Essener Klinikum haben sich für eine Knochenmarktransplantation entschlossen. Sie liegt nun auf der Quarantänestation im Uni-Klinikum Essen.
Isoliert von der Umwelt. Alles steril. Nur die Ärzte, Pflegekräfte und ihre Eltern dürfen ins Zimmer. Am Sonntag wurde Allison 14 Jahre alt. Anlass genug für einen Besuch mit Anja von der McDonald’s Kinderhilfe.
Wir können uns nur durch die Scheibe sehen und über die Sprechanlage unterhalten. Anja und ich albern herum, singen ihr ein Ständchen, malen mit einem Filzstifte unsere Hände auf das Glas. Die Geschenke wurden vorher desinfiziert. Allison liebt Lego, wie so viele Kinder in ihrem Alter. Da sagt sie: "Die eine Figur (Anmerkung: Der Typ mit hellgrauem Bart) sieht aus wie Du." Zufall?
Allison möchte ein Youtube-Star werden, hat einen eigenen Kanal. JUSTALLISON heißt er. „Was wünschst Du dir?“, frage ich sie. Die Antwort verblüfft nicht wirklich: „Ich möchte eine Millionen Klicks erhalten.“  Ja, das wünsche ich dem Mädchen von Herzen. Aber noch mehr wünsche ich, dass die Operation morgen gelingt und Allison wieder gesund wird.
Ihre Mama schreibt heute im sozialen Netzwerk: „Ich bin dein Fan. Liebe deinen Mut, Baby. Morgen bekommst du die Zellen deines Spenders. Wir beten für einen guten Empfang in deinem Körper.“ In einem Film auf ihrem Youtube-Kanal JUSTALLISON spricht sie offen über ihren Krebs. „Manche Menschen wissen nicht, dass ich Krebs habe, deshalb sage ich jetzt, ich habe Krebs.“ https://www.youtube.com/watch?v=4WXJSS-5Gm8 Sollen wir Allison ihren Wunsch erfüllen? Vielleicht knacken wir ja die eine Millionen Marke. Dann klickt, klickt, klickt...teilt, teilt, teilt...

Montag, 5. November 2018

Stahlstraße


Als junger Mann war ich oft im Bordell oder umgangssprachlich Puff. Damals rein beruflich, heute zu Recherchezwecken. Die älteste Laufstraße Deutschlands mit knapp 20 Häusern, in denen früher bis zu 200 Frauen arbeiteten, befindet sich in „meinem“ damaligen Schutzbereich am Rande der Essener Innenstadt. Die Stahlstraße – früher Heilig-Geist-Straße – gibt es schon seit über 100 Jahren. Auf der „Gerlingwache“ bin ich von 1971 bis 1978 als junger Schutzmann auf Streife gegangen oder gefahren. Obwohl anfangs noch nicht volljährig (!), haben mir diese Einsätze immer Spaß bereitet. Und nicht nur mir. Wenn die Einsatzleitstelle „Gruga“ kurz und knapp über Funk fragte: „Zahlungsstreitigkeiten Stahlstraße, welches Fahrzeug ist einsatzklar“, meldeten sich meist eine ganze Reihe von Streifenwagen. Im Gegensatz dazu herrschte bei „dicken“ Unfällen Funkstille. Häufig galt es, einen Streit zwischen Hure und Freier zu schlichten. Entweder war der Preis nicht angemessen oder die Prostituierte hat ihren Freier an die Luft gesetzt, wenn es ihr zu lange dauerte. („Muss halt eher kommen“). Dann kamen wir. Personalienaustausch, Hinweis auf den Rechtsweg, hieß es anschließend im Tätigkeitsbuch. Es gab auch Diebstähle oder Schlägereien. Oftmals zum Monatsanfang beim so genannten Lohntütenball.
Noch bis in die 1960er-Jahre hinein existierte direkt an der Stahlstraße eine kleine Wache. Die älteren Kollegen sprachen immer nur von der Puffwache und hatten allerhand Dönekes auf Lager. Die Kripo („Sitte“) stellte einen Beamten nur für die Bearbeitung der Vorgänge rund um den „Puff“ ab. Als „Papa Ferner“, so nannten ihn die Frauen, in den 1990er-Jahren in Pension ging, wurde die Stelle nicht mehr neu besetzt. Bei meinem heutigen Gang durch die Sackgasse wollte ich herausfinden, ob die Straße eigentlich ordnungsgemäß ausgeschildert ist. Fehlanzeige. Ich habe kein Straßennamensschild für eine der bekanntesten Straßen Essens gefunden. Lediglich das ehemalige Pissoir am Eingang wies noch den Hinweis „PP“ auf. Das hat mich dann doch ein bisschen irritiert. Kenne ich diese Ankürzung doch nur für den Polizeipräsidenten.
Hinweis auf das ehemalige Pissoir ohne Wasserspülung. Es roch nicht besonders angenehm an dieser Stelle.
Die Stahlstraße geht von der Nordhofstraße ab, es gilt dort „rechts vor links“.
Hinter Mauern befinden sich die Häuser der ältesten Laufstraße Deutschlands.

Mittwoch, 24. Oktober 2018

Finanzminister für 15 Minuten

Eines meiner Lieblingszitate, wenn es um Geld geht, stammt vom verstorbenen CDU-Politiker (!) Heiner Geißler: "Es gibt Geld wie Dreck auf der Erde. Es haben nur die falschen Leute“. Ich würde den Spruch erweitern wollen: “…und es ist falsch verteilt.“ Für die Verteilung der Steuergelder sorgt maßgeblich der Finanzminister. Ich war einer, allerdings nur für eine viertel Stunde.
Vor ein paar Tagen befragte mich auf der Kettwiger Straße ein ARD-Team der Redaktion „Plusminus“, ob ich bereit wäre, eine Rangliste zu erstellen? Bei einigen müsste allerdings auch eingespart werden. Acht Themen standen zur Auswahl: Schule/ Kindertagesstätten, Gesundheit/ Pflege, Rente, Innere Sicherheit, Wohnen, Einwanderung/ Flüchtlinge, Verteidigung und Umwelt/ Verkehr. Klar habe ich mitgemacht. Ganz oben auf meiner Agenda stand „Schule/ Bildung“ gefolgt von „Innerer Sicherheit“. Als Ex-Polizist natürlich ein Muss. Auf dem letzten Platz landete die „Verteidigung“. Die anderen Plätze sind meines Erachtens austauschbar. Das Ganze wird heute Abend im Magazin „plusminus“ im Ersten ausgestrahlt. Bin mal gespannt, ob ich ein guter Finanzminister war oder ob meine Ausführungen der Schere zum Opfer gefallen sind. Heute Abend (24.10.2018): Das Erste um 21.45 Uhr.

Mittwoch, 17. Oktober 2018

Ein Jahr #MeToo - auch bei der Polizei ein Thema?




Vor einem Jahr hat eine Nachricht auf „Twitter“ ein sehr brisantes oft totgeschwiegenes Thema aufgemacht. Sexualisierte Gewalt vorwiegend auf Frauen in Arbeitsverhältnissen. Immer dort, wo es um Macht ging. Viele Frauen haben danach ihre negativen Erfahrungen unter diesem Hashtag „MeToo“ öffentlich gemacht. Ganz wenige Männer auch. Dem amerikanischen Filmemacher Harvey Weinstein werfen mittlerweile über 80 Betroffene sexuelle Übergriffe vor. Andere Schauspieler hat es ebenfalls erwischt. Ein ganz bekannter sitzt mittlerweile im Knast. Die Debatte und Vorwürfe trafen auch einen deutschen Regisseur. Aber gibt es so ein sexuelles Machtverhalten nur in der Filmbranche, wo Männer ihre Stellung auf perfide ekelhafte Art und Weise ausleben? „MeToo“ - das Synonym für „Frauen und auch Männer wehrt euch“. Ein Stein kam ins Rollen.
Seit Anfang der 1980er-Jahre gibt es Frauen bei der uniformierten Polizei in Nordrhein-Westfalen. Bei der Kripo arbeiten sie schon viel länger. Eine Polizistin aus den Anfangszeiten erzählte mir: „Es war für mich die Hölle auf der Wache. Ich wollte schon mein Lieblingsberuf an den Nagel hängen.“ Hier ging es in erster Linie um Ablehnung von Frauen im Polizeiberuf. Sie wurde von ihren männlichen Kollegen gedemütigt, „dreckige“ Witze in ihrem Beisein erzählt, „schmutzige“ Bemerkungen gemacht. Tränen flossen. Nachts lief schon mal ein Pornofilm im Aufenthaltsraum. Klarer Fall von sexualisierter psychischer Gewalt. Und das bei der Polizei. Fast 40 Jahre her. Die Polizistin Monika Schumann schreibt in dem Buch von Dr. Frank Kawelovski „Achtung! Hier Gruga an alle“ über ihre Erfahrungen als junge Polizistin. Auch sie stellte ihre Berufswahl nach kurzer Zeit in Frage. Bei ihr ging es um die rüde Gangart einiger männlicher Kollegen gegenüber den jungen Polizistinnen und Polizisten, aber auch Bürgern. Einmal allerdings auch um Sexualität, als ein älterer Polizist mit einer kontrollierten Autofahrerin nach Hause fuhr. „Zum Schäferstündchen“, wie sie sagt. Auf der Dienstgruppe arbeitete der Beamte, der später als so genannter Sexkommissar negative Schlagzeilen machte, als er seine dienstliche Stellung zur sexuellen Nötigung einer Tatverdächtigen ausnutzte. Die Festnahme mit heruntergelassener Hose erfolgte inflagranti. Schumann: “Wir haben auf dem Flur getanzt, als wir hörten, dass er in den Knast musste.“

Viele Partnerschaften und Eheschließungen beginnen am Arbeitsplatz. Überall. So auch bei der Polizei. Mir sind viele bekannt. Daran ist nichts auszusetzen. Allerdings bewegen sich Paare in einem juristischen Bereich, wenn sie verlobt oder verheiratet sind. Stichwort: Zeugnisverweigerungsrecht. Sie sollten ihre Liebe öffentlich machen und auf verschiedenen Dienststellen arbeiten. So wird es auch in der Regel gehandhabt.Ich kenne allerdings auch aus der Vergangenheit Beziehungen zwischen verheirateten Vorgesetzten und Mitarbeiterinnen. Jetzt wird es kritisch. Dienstrechtlich allemal. Welche Abhängigkeiten spielen dabei eine Rolle? Denn irgendwann muss der Chef seine Mitarbeiterin dienstlich beurteilen. Was ist gemeint, wenn er schreibt: „Volle Hingabe an die Sache?“
Wie sieht es heute auf den Wachen aus? In der Regel fahren Mann und Frau zusammen Streife. Auch aus Gründen der Eigensicherung. Dann sind zwei Geschlechter alleine unterwegs – auch nachts. Im Streifenwagen nur durch die Mittelkonsole getrennt. Keine soziale Kontrolle wie in einem normalen Büroalltag. Mein Polizistensohn erzählte mir vor Jahren, dass er im Nachtdienst in seinem Bereich eine „fremde“ Besatzung beim Liebesspiel auf einem dunklen Parkplatz im Streifenwagen erwischte. Durch die beschlagenden Fensterscheiben sind sie aufgefallen. Kann passieren, wenn man und frau sich sympathisch finden und in lauer Sommernacht unterwegs sind. Ich habe mir oft die Frage gestellt. Gibt es sexualisierte Gewalt auch bei der Polizei, wo doch Recht und Ordnung an erster Stelle stehen muss? In der ganzen „MeToo-Debatte“ lese und höre ich in erster Linie dieses Phänomen in Promi-Kreisen. Ich vermute, dass Übergriffe in allen Lebensbereichen und Berufen stattfinden. Es müssten noch mehr Frauen und Männer den Mut haben, Missstände öffentlich zu machen: „Mir wurde Unrecht getan“. Bei aller Problematik und Kritik, die diese Kampagne begleiten. Gerade wir Polizisten lieben Kronzeugen. Wie wäre es mit welchen aus den eigenen Reihen?


Mittwoch, 10. Oktober 2018

Abgeholzt


Ein klein bisschen „Hambacher Forst“ in meinem Stadtteil Essen-Fischlaken. Die Anwohner der Aloisstraße waren gestern höchst erstaunt; als eine Fachfirma mit schwerem Gerät anrückte und vier uralte Bäume fällte. Sie standen vor einem erst kürzlich bezogenen Neubau. Das Grünflächenamt der Stadt Essen bestätigte die genehmigte Fällaktion auf Anfrage eines Nachbarn mit der Anmerkung:„Die Standsicherheit der Bäume sei nicht mehr gewährleistet.“ Eigenartig, dass gerade vier hintereinander stehende Bäume nicht mehr standsicher seien sollen. Und was ist mit den anderen Bäumen in der Straße? Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Mein in der Straße wohnenden Freund beginnt schon mit den Vorbereitungen für ein Baumhaus vor seiner Haustür.


Montag, 24. September 2018

Scheiße

Entschuldigt bitte. Aber dieses Unwort muss ich jetzt einmal loswerden, weil es zurzeit doppelte Bedeutung hat. Im Hambacher Forst werden zurzeit meine Kolleginnen und Kollegen mit Kot und Urin von so genannten Aktivisten beworfen. Ein Polizist schreibt aus dem Einsatzgebiet u. a.: „Seit einigen Tagen bin ich nun im Hambi eingesetzt und ich muss sagen, dass man hier eigentlich alles erlebt. Von Verständnis für uns, aber eben auch tiefste Ablehnung und Hass. […] Doch dann gibt es auch diejenigen, die mit Fäkalien auf uns werfen, die uns Mord an dem […] jungen Mann vorwerfen, die uns beschimpfen, beleidigen. Steine und Flaschen fliegen. Stahlkugeln werden mit Zwillen auf uns geschossen. […] Kot und Urin werden in Eimern gesammelt und auf uns gekippt. Dies ist schon seit Tagen immer wieder so. Mal mehr, mal weniger. Man muss auch dazu sagen, dass diese Aktivisten genau wissen, was sie zu sich nehmen müssen, dass der Kot eher flüssig ist und ehrlich gesagt auch erbärmlich stinkt. Pfefferminzöl und Desinfektionsmittel sind derzeit meine ständigen Begleiter. Vielleicht sind dies Informationen, die ihr nicht lesen wollt, aber ihr solltet es wissen.“ Mir fehlen zu dem Verhalten von den Waldbesetzern, die mit Fäkalien um sich werfen, einfach die Worte. Vielleicht ist das eine zutreffend. Was ihr macht ist einfach nur Scheiße.

Freitag, 14. September 2018

40 Jahre

Außer Dienst. Das bin ich jetzt schon knapp fünf Jahre. Und dies nach fast 45 Jahren im Polizeidienst. Berufsfazit: alles richtig gemacht. Meinem Arbeitgeber Polizei nach wie vor verbunden. So wie gestern. Die Essener Spezialeinheiten feierten ihren 40.Geburtstag. Und ich durfte sieben Jahre ein Teil davon sein. Eine spannende Zeit. Alles was bei der nordrhein-westfälischen Polizei Rang und Namen hat war gestern zur Norbertstraße gekommen. Auch der Oberbürgermeister Thomas Kufen war unter dem geladenen Gästen.
Dort in der alten denkmalgeschützten Polizeischule sind die vier Dienststellen zu Hause. Waren es anfangs das SEK (Spezialeinsatzkommando) und das MEK (Mobiles Einsatzkommando), kamen später die VG (Verhandlungsgruppe) und die TEG (Technische Gruppe) hinzu. Zusammen bilden sie die Essener Spezialeinheit. Innenminister Herbert Reul erinnerte in seiner Rede an die Anfänge. Die Spezialeinheiten wurden in 1970er-Jahren in ganz Deutschland gegründet. Es war die Antwort der Politik auf den Terrorismus und die zunehmende Gewaltkriminalität. So bekam Essen 1978 das SEK und MEK. Meist arbeiten die Spezialisten der Polizei im Verborgenen. Über 200 Einsätze absolvierte allein die Essener Einheit im letzten Jahr. Doch ab und zu rücken die Spezialeinheiten von Köln, Düsseldorf, Dortmund, Münster, Bielefeld, Essen und des Landeskriminalamtes bei spektakulären Einsätzen in den Fokus der Öffentlichkeit. Gestern blieb sie ausgesperrt. Die Spezialisten und Gäste blieben unter sich. Und bei uns Veteranen hieß eher: Weißt du noch?

Mittwoch, 12. September 2018

Toi-KW für die "Pinkelnde Petra"


In der Polizeisprache wimmelt es nur so von Abkürzungen. FustKw (Funkstreifenwagen), LimaKw (Lichtmastkraftwagen), Nafri (kennen wir alle seit der Silvesternacht in Köln), LaDi (Ladendieb), Spusi (Spurensicherung), EHu (Einsatzhundertschaft) usw. usw. Gestern habe ich nach über 40 Jahren Polizeidienst noch eine Abkürzung dazu gelernt: Toi-Kw. Abgekürzt für Toilettenkraftwagen. Vor acht Jahren sorgte das Kunstwerk „Pinkelnde Petra“ von Marcel Walldorf für einen Skandal und eine rege Diskussion, der genau auf dieses Problem hinweisen wollte.
Was machen Polizistinnen mit Schutzanzug im Einsatz, wenn sie mal müssen? Da geht es nicht so schnell, wie bei den männlichen Kollegen, die sich kurz irgendwo in die Ecke stellen können. Ich weiß, dass viele Polizistinnen ihre Trinkgewohnheiten im Einsatz darauf einrichten. Sie trinken einfach weniger, weil irgendwann das Problem auf sie zukommen könnte. Und das ist schlecht. Deshalb ist die Forderung nach einem Toi-Kw eine ernste Angelegenheit. Jetzt trafen sich Gewerkschafterinnen der Polizei in Düsseldorf mit der Abteilungsleiterin Polizei des Düsseldorfer Innenministeriums, Ministerialdirigentin Dr. Daniela Lesmeister, um mit der gelernten Polizistin das Problem zu erörtern. Immerhin ist sie die Chefin von rund 45000 Polizisten*innen im Land. Bin mal gespannt, wann es die ersten Toi-Kw in NRW geben wird.

Montag, 10. September 2018

In Gedenken

Der Rhododendron verdeckt das K. auf dem Grabstein der Familien Kegel und Walter. Meine Frau und ich standen heute um 10.00 Uhr neben der Witwe und der Schwester an der letzten Ruhestätte von Rolf Kegel auf dem kleinen Friedhof in Essen-Rellinghausen.
Zum ersten Mal gemeinsam. Nach 37 Jahren. Am 10. September 1981 um 10.00 Uhr starb der Ehemann und Bruder der beiden Frauen - vor meinen Augen. Rolf Kegel wurde nur 37 Jahre alt. Wir saßen zusammen im Polizeihubschrauber „Hummel 3“. Rolf war der Pilot. Ich saß schräg hinter ihm. Mit uns flogen noch zwei SEK-Kollegen aus Düsseldorf und der Co-Pilot. Der Übungsflug endete tragisch. Wir krachten in einen Wald in der Nähe von Paderborn. Rolf starb, zwei Kollegen erlitten schwerste Verbrennungen und Verletzungen. Ich wurde leicht verletzt. Der Fünfte kam ohne Blessuren aus dem total zerstörten und später ausgebrannten Wrack. So eng liegen Schicksale auf zwei Quadratmetern zusammen. Durch das Unglück entwickelten sich die Lebenslinien unserer beiden Familien in unterschiedliche Richtungen. Während wir mit unseren beiden Kindern ganz normal weiterleben durften, fehlte plötzlich bei der anderen Familie der Ehemann, Vater, Bruder und Sohn. Wir haben heute erfahren, was es bedeutet, bei einem Unglück von jetzt auf gleich einen nahen Angehörigen zu verlieren. Die Ehefrau: „Ich lebte nur noch für meine Kinder.“ Die Schwester: „Ich denke jeden Tag an Rolf.“ Nichts ist mehr wie es war. Und die Zeit heilt nicht (!) alle Wunden. Auch nicht nach 37 Jahren. Wir saßen noch lange im Cafè zusammen und werden uns wiedersehen. Jedes Jahr am 10. September um 10.00 Uhr am Grab von Rolf.
Das Foto machte ich Sekunden vor unserem Absturz

Montag, 27. August 2018

Ein Jungstar mischt die Kunstszene auf

Sein Name klingt wie die Figur aus einem Märchen – Leon Löwentraut. Der Junge aus dem Rheinland – 1998 in Kaiserslautern geboren - ist sieben Jahren alt, als er seine Leidenschaft für die Malerei entdeckt. Wenige Jahre später sagt er: “Ich will einer der bedeutesten Künstler der Welt werden.“
Ein hoher Anspruch. Und er ist auf dem besten Weg dahin. Der Jungstar stellt mittlerweile seine bunten Kunstwerke in der ganzen Welt aus. New York, London, Singapur, Basel, Berlin, Burg Vischering. Burg was? In der münsterländischen Wasserburg eröffnet er gestern seine Ausstellung. Rund 20 Originale sind zu sehen und ruckzuck verkauft, wie fast bei allen seinen Ausstellungen. Der Mitarbeiter der Galerie erzählt mir, dass der erste Besucher im Vorbeigehen das erste Bild, an dem er vorbeigeht, erwirbt. Über 20.000 Euro kostet es.Da drängeln sich noch Hunderte im Innenhof der Burg und warten auf Einlass. Einige darunter, denen man ihr Geld ansieht, an der Kleidung oder den glattgebügelten Gesichtern der Damen. Einige Herren hatten derweil ihre SUV einfach in der Botanik abgestellt. Das disziplinierte Schlangestehen kennen viele von ihnen ebenfalls nicht. Die Kunst zieht diese Menschen wohl magisch an.

Unter den Besuchern sind allerdings auch viele aus der Region. Die meisten wollen den jungen Mann mal aus der Nähe sehen. Sie interessieren sich für seine Kunst und nicht für die Geldanlage mit hoher Renditegarantie.Leon Löwentraut fährt um 17.00 Uhr mit einem grünen VW-Käfer-Cabrio, am Steuer sein Vater, über die Zugbrücke. Er kommt allerdings nicht weit. Menschenmassen versperren den Weg zum Eingang. Der 20-Jährige steigt aus. Er liebt das Bad in der Menge und schreitet in die Burg. Die Show kann beginnen.Ich brauche die Kunst wie die Luft zum Atmen“, sagt er am Mittwoch in der Talkshow bei Markus Lanz. Viel Luft zum Atmen hatten die Besucher in den Ausstellungsräumen allerdings nicht. Dicht an dicht quetschen sie sich an den „echten Löwentrauts“ vorbei und lauschen den Ausführungen der Protagonisten. Ich bleibe mit meiner Frau am Rande stehen und schaue schon mal nach den Notausgängen. Die Angestellten der Galerie kommen mit dem Abhaken ihrer  Listen gar nicht nach. Ein Originalfoto nach dem anderen mit Beschreibung und Preisangabe  wird durchgestrichen. Verkauft. Das teuerste über 50.000 Euro. Der selbstbewusste junge Maler, der durch seine Gesichtrötung ein bisschen schüchtern wirkt, stellt sich den Kunstliebhabern. Nicht ganz so mit voller Wucht wie er malt. Meist nachts und direkt aus der Tube, sondern recht sympathisch. Kein extravaganter , durchgeknallter Künstler. Nein, eher ein ruhiger von seiner Kunst Besessener. Hier ein Selfie da eine Unterschrift. „Ich bin noch lange nicht da, wo ich einmal hin will“, sagt der 20-Jährige. Das nehme ich ihm voll ab. Die Kunstwelt wird noch eine Menge von ihm hören.