Mittwoch, 11. November 2015

WC-Literatur



Es gibt Tabuthemen. Besonders die aus dem gekachelten Raum der Wohnung. Vor vielen Jahren wurde in einem Kreis von führenden Polizeibeamten und Journalisten dieses Tabu gebrochen. Es drehte sich standesgemäß um „die großen Geschäfte“. Ich war dabei. Der Vize-Präsident berichtete, dass in seiner Familie immer ein Atlas am Klo lag. So lernte er und seine Geschwister die Welt kennen. Comics und Zeitungen gehörten zum Lesestoff. Die BILD-Zeitung eignete sich besonders zur Ablenkung, so ein Journalist, hatte er sie doch in einer Sitzung durch. Andere beschäftigten sich mit Kreuzworträtsel.  Ein Jüngerer überbrückte die Zeit der Erleichterung mit seinem „Nintendo“. Aber nur solange, bis Mutter klopfte und fragte, ob alles in Ordnung sei.
Übrigens so die einhellige Meinung der Gesprächsrunde: Jungs und Männer halten sich länger auf dem stillen Örtchen auf. Gibt’s Gründe? 
Ich frage mich heute noch, wie wir das in meiner Familie geschafft haben. Nur ein Bad mit WC für Eltern mit vier Jungs. Wir mussten oft zur gleichen Zeit in die Schule und Vater zur Arbeit. Es klappte nur im Akkord. Ich habe noch das Klopfen meiner Brüder im Ohr: "Beeil Dich!" Da war nix mit Lesen.

Jetzt habe ich auf einem WC die Ausgabe eines Grundgesetzes entdeckt. Ich finde, unsere Verfassung müsste zur Pflichtlektüre auf diesem Ort werden und schlage  eine Erweiterung des Artikels 5 (Informationsfreiheit) GG vor. Wird wohl an der Zweidrittelmehrheit scheitern.


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