Freitag, 25. Mai 2018

#MeeToo


Jeder ältere Mann kennt diese Geschichten oder hat sie vielleicht selbst erlebt. Auch ich. Jahre zurück. Das Rollenbild „Frau – Mann“ ist mit dem heutigen nicht mehr vergleichbar. Gott sei Dank. Mein Vater sagte zu jeder jungen Frau „Schätzchen“. Das war mir oft peinlich. Und ich sagte häufig: „Papa, das sagt man nicht.“  Er war sich nie einer Schuld bewusst. Im Gegenteil, er dachte er dürfe das als älterer Herr und es sei doch ein Kompliment.

Meine Kollegin beklagte sich einmal bei mir über einen Mitarbeiter, der ihr häufig zu nahe über die Schulter schaute. („Der rückt mir immer auf die Pelle“). Auf meine Erwiderung: „Sagen Sie es ihm doch“, antwortete sie: „Da kann ich nicht“. Ich habe es ihm dann gesagt. Er war ganz überrascht und auch in diesem Fall, sich keines Fehlverhaltens bewusst. Auf alten Fotos von Betriebsfeiern, sieht man bei genauem Hinsehen, dass die Hände der Männer nicht immer da waren, wo sie hingehörten.
Aber auch umgekehrt. Ich habe vor kurzem eine ältere Kollegin darauf angesprochen. Wie war das damals? Ihr unaufgeregter Kommentar: „War eben so.“ Anders eine Kollegin, die als eine der ersten Frauen bei der Polizei eingestellt wurde. Sie sagte mir: “Das Verhalten der männlichen Kollegen auf der Wache war für mich die Hölle.“  Das betraf allerdings nicht nur das sexualisierte Verhalten. In diesem Fall spreche ich von den 1980er-Jahren. Heute lese ich in der Zeitung, dass der bekannte Schauspieler Morgan Freeman in den USA im Rahmen der „MeToo-Debatte“ in die öffentliche Kritik geraten ist. Ihm wird vorgeworfen, dass er sich nicht immer “Gentlemanlike“ verhalten habe. Eine CNN-Journalistin sagte u. a.: “Er hat mich von oben bis unten gemustert. “ Bei allen berechtigten Vorwürfen gegen Männer wie Harvey Weinstein, Bill Cosby oder Dieter Wedel, die Frauen sexuell belästigt, genötigt oder sogar vergewaltigt haben sollen, wird jetzt über das eigentliche Ziel hinausgeschossen.
Ich vermute, dass in früheren Zeiten in allen Lebensbereichen, immer aus der heutigen Sicht betrachtet, viele Männer ihre Machtpositionen zu sexuellen Übergriffen missbraucht oder ihr Verhalten als ganz normal betrachtet haben. Bei gravierendem Verhalten ist eine juristische und öffentliche Ahndung richtig und angebracht, bei oberflächlichen, aus der damaligen Zeit betrachtet, meines Erachtens nicht. Und dies konterkariert leider die Bewegung „MeeToo“. Schade. Ganze Biographien dürfen so nicht kaputt gemacht werden. Manchmal ist Schweigen eben doch Gold.



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