Freitag, 9. November 2018

Novemberpogrome vor 80 Jahren – „Freund und Helfer“ als Mittäter


Ich schäme mich für meinen Berufsstand. Zumindest für die Zeit von 1933 bis 1945. Die Polizei war Teil des mörderischen Staatsapparates. „Ich bin in Blut gewatet“, sagte mir mal ein älterer Kollege, mit dem ich 1972 als junger Schutzmann im Kamerawagen des Verkehrsdienstes saß. Einfach so. Wollte er etwas los werden. Ich war mit meinen 19 Jahren zu jung oder zu dumm, um nachzufragen. Ein anderer erzählte, dass er bei Erschießungen im Gefängnishof dabei gewesen war. „Aber nur als Zeuge“, betonte er ausdrücklich. Auf der Borbecker Wache arbeitete ein Polizist, der offen mit der Zugehörigkeit zur Waffen-SS prahlte. Jedes Jahr trafen sich die alten Kameraden. Kein Vorgesetzter zügelte ihn. Das war 1976. Von der Polizeikaserne an der Norbertstraße startete das Reserve-Polizeibataillon 67, das an Deportationen und Erschießungen tausender Menschen in Polen beteiligt war. Sie und ihre Prügelknechte quälten und prügelten mich erbarmungslos im Polizeipräsidium.“ Zitat eines Festgenommenen. In seiner Verzweiflung sprang er aus dem 2. Stock des Polizeigebäudes. Die Essener Polizei hat ihre schäbige Rolle im so genannten Dritten Reich nie aufgearbeitet.
Auch nicht bei ihrem 100. Jubiläum im Jahre 2009. Da wurde von der Polizeipräsidentin eine historische Chance vertan. Das sagte einer ihrer Vorgänger am Ende des Festaktes. Deutsche verfolgten, deportierten und ermordeten Landsleute oder Ausländer im Dritten Reich. Nur weil diese einen anderen Glauben hatten oder nicht in ihr Weltbild passten. Der „Freund und Helfer“ schaute weg oder machte kräftig mit. „Als Nazischergen die Essener Synagoge am 9. November 1938 anzündeten, befanden sich hohe Polizeioffiziere und Mannschaftsdienstgrade unter den Gaffern. Ich habe heute einige „Stolpersteine“ in Essen-Werden fotografiert. Drei davon befinden sich auf dem Schulhof des Werdener Gymnasiums. Auf einem steht der Name Felix Steeg, der sich im Juni 1939 im Alter von 45 Jahren in bedrängter Situation im Polizeipräsidium das Leben nahm. Und in diesem Gebäude habe ich über 20 Jahre gearbeitet. Ich schäme mich.

2 Kommentare:

  1. Es ist verständlich und nachvollziehbar! Warscheinlich wäre der Polizeiapparat zusammengebrochen, wenn man alle Nazis entlassen hätte. Auch im Polizeipräsidium Mülheim gab es diese dunkle Zeit. Niemand sprach darüber und Akten konnte man nicht einsehen...wenn es sie überhaupt noch gab. Aber die Stahltüren im Keĺlergeschoss und der zugemauerte Gang zur Nebenstraße war noch zu erkennen. Teilweise eingestürzt und bei Neubauvorhaben wiederentdeckt.

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  2. Mein Großvater, etwa Jahrgang 1890 rum, war auch Polizeibeamter und als ,Dorfpolizist' in Bottrop-Welheim unterwegs. Ein Foto zeigt ihn in Uniform mit meiner Großmutter am Gartentor stehend... ich hoffe, dass er nicht an irgendwelchen Mord-Aktionen beteiligt war...

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