Mittwoch, 17. Oktober 2018

Ein Jahr #MeToo - auch bei der Polizei ein Thema?




Vor einem Jahr hat eine Nachricht auf „Twitter“ ein sehr brisantes oft totgeschwiegenes Thema aufgemacht. Sexualisierte Gewalt vorwiegend auf Frauen in Arbeitsverhältnissen. Immer dort, wo es um Macht ging. Viele Frauen haben danach ihre negativen Erfahrungen unter diesem Hashtag „MeToo“ öffentlich gemacht. Ganz wenige Männer auch. Dem amerikanischen Filmemacher Harvey Weinstein werfen mittlerweile über 80 Betroffene sexuelle Übergriffe vor. Andere Schauspieler hat es ebenfalls erwischt. Ein ganz bekannter sitzt mittlerweile im Knast. Die Debatte und Vorwürfe trafen auch einen deutschen Regisseur. Aber gibt es so ein sexuelles Machtverhalten nur in der Filmbranche, wo Männer ihre Stellung auf perfide ekelhafte Art und Weise ausleben? „MeToo“ - das Synonym für „Frauen und auch Männer wehrt euch“. Ein Stein kam ins Rollen.
Seit Anfang der 1980er-Jahre gibt es Frauen bei der uniformierten Polizei in Nordrhein-Westfalen. Bei der Kripo arbeiten sie schon viel länger. Eine Polizistin aus den Anfangszeiten erzählte mir: „Es war für mich die Hölle auf der Wache. Ich wollte schon mein Lieblingsberuf an den Nagel hängen.“ Hier ging es in erster Linie um Ablehnung von Frauen im Polizeiberuf. Sie wurde von ihren männlichen Kollegen gedemütigt, „dreckige“ Witze in ihrem Beisein erzählt, „schmutzige“ Bemerkungen gemacht. Tränen flossen. Nachts lief schon mal ein Pornofilm im Aufenthaltsraum. Klarer Fall von sexualisierter psychischer Gewalt. Und das bei der Polizei. Fast 40 Jahre her. Die Polizistin Monika Schumann schreibt in dem Buch von Dr. Frank Kawelovski „Achtung! Hier Gruga an alle“ über ihre Erfahrungen als junge Polizistin. Auch sie stellte ihre Berufswahl nach kurzer Zeit in Frage. Bei ihr ging es um die rüde Gangart einiger männlicher Kollegen gegenüber den jungen Polizistinnen und Polizisten, aber auch Bürgern. Einmal allerdings auch um Sexualität, als ein älterer Polizist mit einer kontrollierten Autofahrerin nach Hause fuhr. „Zum Schäferstündchen“, wie sie sagt. Auf der Dienstgruppe arbeitete der Beamte, der später als so genannter Sexkommissar negative Schlagzeilen machte, als er seine dienstliche Stellung zur sexuellen Nötigung einer Tatverdächtigen ausnutzte. Die Festnahme mit heruntergelassener Hose erfolgte inflagranti. Schumann: “Wir haben auf dem Flur getanzt, als wir hörten, dass er in den Knast musste.“

Viele Partnerschaften und Eheschließungen beginnen am Arbeitsplatz. Überall. So auch bei der Polizei. Mir sind viele bekannt. Daran ist nichts auszusetzen. Allerdings bewegen sich Paare in einem juristischen Bereich, wenn sie verlobt oder verheiratet sind. Stichwort: Zeugnisverweigerungsrecht. Sie sollten ihre Liebe öffentlich machen und auf verschiedenen Dienststellen arbeiten. So wird es auch in der Regel gehandhabt.Ich kenne allerdings auch aus der Vergangenheit Beziehungen zwischen verheirateten Vorgesetzten und Mitarbeiterinnen. Jetzt wird es kritisch. Dienstrechtlich allemal. Welche Abhängigkeiten spielen dabei eine Rolle? Denn irgendwann muss der Chef seine Mitarbeiterin dienstlich beurteilen. Was ist gemeint, wenn er schreibt: „Volle Hingabe an die Sache?“
Wie sieht es heute auf den Wachen aus? In der Regel fahren Mann und Frau zusammen Streife. Auch aus Gründen der Eigensicherung. Dann sind zwei Geschlechter alleine unterwegs – auch nachts. Im Streifenwagen nur durch die Mittelkonsole getrennt. Keine soziale Kontrolle wie in einem normalen Büroalltag. Mein Polizistensohn erzählte mir vor Jahren, dass er im Nachtdienst in seinem Bereich eine „fremde“ Besatzung beim Liebesspiel auf einem dunklen Parkplatz im Streifenwagen erwischte. Durch die beschlagenden Fensterscheiben sind sie aufgefallen. Kann passieren, wenn man und frau sich sympathisch finden und in lauer Sommernacht unterwegs sind. Ich habe mir oft die Frage gestellt. Gibt es sexualisierte Gewalt auch bei der Polizei, wo doch Recht und Ordnung an erster Stelle stehen muss? In der ganzen „MeToo-Debatte“ lese und höre ich in erster Linie dieses Phänomen in Promi-Kreisen. Ich vermute, dass Übergriffe in allen Lebensbereichen und Berufen stattfinden. Es müssten noch mehr Frauen und Männer den Mut haben, Missstände öffentlich zu machen: „Mir wurde Unrecht getan“. Bei aller Problematik und Kritik, die diese Kampagne begleiten. Gerade wir Polizisten lieben Kronzeugen. Wie wäre es mit welchen aus den eigenen Reihen?


1 Kommentar:

  1. Mutiger, offener Blogbeitrag zu einem schwierigen Thema. Jeder von uns hat ganz viele Geschichten gehört und/oder selbst erlebt. Für mich, der ich von Anfang an in einer sehr glücklichen und innigen Beziehung gelebt habe, war einiges unfassbar. Angefangen von Dienstgruppenleitern, die ihrer Flamme auf der Dienstgruppe in den privaten Urlaub hinterher gereist sind und anschließend - nach erfolgreicher Balz und Eheschließung - fleißig an der Karriereschraube der Partnerin gedreht haben, bis hin zu einem Dienstgruppenausflug, auf dem legiglich ein einziger Kollege und ich unseren Frauen davon erzählt haben, dass es mit dem Sambazug in den Mosel-Tanzpalast ging und nicht zum Kegeln.
    Ich denke, dass der Corpsgeist der Achziger- und Neunzigerjahre der Vergangenheit angehört und dass auch der Umgang zwischen Kollegen und Kolleginnen sehr viel professioneller abläuft, als damals und das ist nötig, richtig und überfällíg.

    AntwortenLöschen