Mittwoch, 19. Januar 2022

Die Polizei plant den Auszug aus dem Präsidium

Wie die Essener Tageszeitungen berichten, möchte die Essener Polizei aus dem Polizeipräsidium an der Büscherstraße im Justizviertel ausziehen. Der Mietvertrag sei gekündigt worden, heißt es in WAZ und NRZ. Das NRW-Innenministerium habe schon eine Ausschreibung europaweit auf den Weg gebracht. Die Begründung der jetzigen Polizeiführung: Das Gebäude sei zu klein und könne nicht die Infrastruktur der modernen Polizei darstellen, insbesondere die der Einsatzleistelle. Die Behörde wünscht eine „zentralisierte Polizei“. Nach intensiver Prüfung sei die aktuelle Planung alternativlos.

Es gibt viele Gründe, die gegen einen Auszug sprechen. Die bisherigen öffentlichen Erklärungen sind zu pauschal. Zur Kostenfrage ist noch gar nichts gesagt worden. Insider der Polizei widersprechen dem Vorhaben des Polizeipräsidenten. Für den Verbleib spricht z. B. eindeutig der 1A-Standort in Rüttenscheid/ Grenze Holsterhausen, die Nähe zu den gegenüberliegenden Gerichten und der Staatsanwaltschaft sowie die historische Bedeutung des Gebäudes. Das im Übrigen in einem guten Zustand ist, 1986 unter Denkmalschutz gestellt und in den 1990er-Jahren komplett saniert wurde. Also, man kann nicht von einer schlechten Bausubstanz sprechen.

Schon immer war das Präsidium zu klein, wissen die geschichtlich Interessierten. Ein Foto aus dem Jahrbuch der Essener Polizei von 1971 beweist das.  Es zeigt in der Bildmitte den Leiter der damaligen Verwaltung und stellvertretenden Polizeipräsidenten, Leitenden Regierungsdirektor Ullrich Nordbeck mit Führungskräften seiner Abteilung über Bauplänen sitzen. Die damaligen Überlegungen gingen vom Abriss bis hin zum Neubau und Erweiterung ins angrenzende Parkgelände.  Zu dieser Zeit stand das Gebäude – erbaut von 1914 bis 1918 – noch nicht unter Denkmalschutz. Gott sei Dank blieben die Pläne für immer in den behördlichen Schubladen.

1971 - Ulrich Nordbeck mit seinen Verwaltungsleuten in einer Planungsbesprechung

Eine nicht nachvollziehbare und meines Erachtens falsche Entscheidung wurde dann jedoch seitens der Leitung beschlossen. Die Hauptwache – damals Schutzbereich II/ heute Polizeiinspektion 2-Süd – und einige Kommissariate wurde zur Alfredstraße verlagert. Die Inspektion zog Jahre später in den unteren Teil der Norbertstraße mit der Hausnummer 5-7 gegenüber der Grugahalle. Übrigens ein Novum. In allen Präsidiumsgebäuden in NRW befinden sich Polizeiwachen - nur nicht in Essen. Jetzt ist die Hauptwache neben anderen Dienststellen abseits in Bredeney/ Grenze Schuir in einem Gebäudekomplex der ehemaligen Karstadt-Hauptverwaltung an der Theodor-Althoff-Straße untergebracht. Diesen Standort - da ging es noch um die ehemalige Polizeischule, die nur einen Steinwurf entfernt ist - hatte Polizeipräsidentin Stephania Fischer in ihrer Amtszeit kategorisch ausgeschlossen und für nicht bürgernah und -freundlich  gehalten.

Deshalb wäre mein Vorschlag in der jetzigen Planung. Die Polizeiinspektion Süd mit der Hauptwache und der Gewährleistung des 24-Stunden-Dienstes im Essener Süden zieht zurück ins Präsidium. Die Einsatzwege zu den alltäglichen polizeilichen Hilfeleistungen, die sich zu rund 70 Prozent in Rüttenscheid, Holsterhausen und Frohnhausen abspielen, sind viel kürzer, wenn Streifenwagen von der Büscherstraße ausrücken müssen.  Die Einsatzreaktionszeit (ERZ), wie es im Polizeideutsch heißt, könnte verringert werden. Die Kommissariate bleiben ebenfalls im sog. Justizviertel der Stadt Essen.

Alle anderen polizeilichen Bereiche ohne direkten Bürgerkontakt könnten ihre Dienstgeschäfte in Bredeney/ Schuir oder anderswo im Stadtgebiet aufnehmen. Das gilt auch für  die Einsatzleitstelle, das Polizeigewahrsam, Führungsstäbe oder sogar die Behördenleitung.

Das Präsidium 1926 mit Privatwohnung des Polizeipräsidenten im Nebengebäude
 

Die beigefügte Postkarte hat mir jetzt in der Debatte um den Auszug der Polizei aus dem Präsidium Erika Schneidwind, ehemalige Mitarbeiterin der WAZ und Stadthistorikerin, zugeschickt. Die Postsendung stammt aus dem Jahr 1926, da galt der Vorplatz als Kontaktbörse, wenn sonntags zum Frühschoppen die Polizeimusik aufspielte. Heute würde man dazu Dating Plattform sagen.

Für mich und viele andere aktive und ehemalige Polizeikolleginnen und Polizeikollegen – darunter auch der Ex-Polizeipräsident von Essen und Düsseldorf, Michael Dybowski, ist die Kündigung des Mietverhältnisses mit dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) des Landes NRW nicht ausreichend begründet. Es geht bei dieser Entscheidung nicht nur um die Polizei, sondern auch um grundsätzliche Einstellungen zu Sicherheitsfragen in Essen sowie zum eigenen Berufsbild und Geschichtsverständnis.

 

 


 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen