Offener Brief
An die Spitzenfunktionäre
SPD und
alle anderen
Parteimitglieder…
Liebe Genossinnen und
Genossen,
die älteste Partei
Deutschlands sucht eine neue Führung. Eine Doppelspitze, bestehend aus Frau und
Mann. Die Teams touren seit geraumer Zeit durch die Republik und stellen sich
den Mitgliedern. Am vergangenen Sonntag war ich in Duisburg unter ihnen. Mein
Fazit habe ich hier öffentlich gemacht: www.ausserdienst.blogspot.de
Im letzten Teil der fast
dreistündigen Veranstaltung durften die Zuschauer*innen ihre Fragen an ihre
Kandidaten stellen. Ich wollte das auch. Bin leider nicht dran gekommen.
Meine Statement und meine
Frage hätten sich an alle auf der Bühne gerichtet - von Saskia Eskens bis Ralf
Stegner. Ungefähr so: In Nuancen wollen eigentlich alle Kandidaten*innen das
Gleiche. Soziale Gerechtigkeit, Armutsbeseitigung, raus aus der GroKo, Frieden,
Chancengleichheit, Umweltschutz, einheitliches Gesundheitswesen, geeintes
Europa etc. Das unterstreiche ich
sofort, weil ich es auch möchte. Allerdings habe ich von keinem der
SPD-Spitzenkandidaten etwas zum Thema innere Sicherheit, Kriminalität, Stärkung
der Polizeiarbeit, Sicherheitsbehörden und der Justiz gehört. Doch, ich glaube
es war Boris Pistorius, der ein paar kurze Sätze zur inneren Sicherheit sagte.
Und ganz zum Schluss noch Christina Kampmann bei ihrer Vision 2030 im Wechsel
mit ihrem Teampartner: "2030 werden keine Polizisten mehr vor Moscheen und
Synagogen stehen.“ Na, ja. Das war’s.
Fast
45 Jahre war ich NRW-Polizist in verschiedenen Funktionen, gerne und mit
Begeisterung. Meine oberen Dienstherren waren meist Sozialdemokraten. In der
Innenansicht und Beurteilung mit unterschiedlichen Zeugnisnoten. Der letzte
„Polizeiminister“, Ralf Jäger, war m. E. mit dafür verantwortlich, dass die SPD
das schlechteste Ergebnis in meinem Bundesland seit Bestehen der Partei
eingefahren hat. Seine Sicherheitspolitik kam bei den meisten Kollegen*innen
gar nicht gut an. Den Blitzmarathon fanden sehr viele doof, so wie auch viele
Bürger. Von einer PR-Aktion sprachen viele. Es mag noch andere Gründe für die
Wahlschlappe der Regierung unter Hannelore Kraft gegeben haben.
Schon
vor Jahren sagte mir einmal mein langjähriger Freund und Kollege, damals Sprecher
beim Landeskriminalamt, und bis dahin strammer SPD-Wähler: „Die machen mir
langsam mein sozialdemokratisches Herzchen kaputt.“ Gemeint war das Wegducken
vor Kriminalitätsformen, die uns Polizisten bekannt waren und schon lange beschäftigten.
Beispiel „Clankriminalität“. Schon kurz nach der Jahrtausendwende fielen die „arabisch-kurdischen“
Einwohner“ bei der Jahresstatistik aus dem Rahmen, waren ständig polizeilich
auffällig. Fälschlicherweise noch unter Libanesen gelistet. Danach waren über
100 (!) Prozent der in Essen lebenden Menschen dieser homogenen Ethnie
straffällig geworden. Eine Parallelgesellschaft mit eigenem Friedensrichter.
Zugegeben, es lag auch an der statistischen Erfassung. Das Problem wurde
totgeschwiegen.
Das
Wort „Kuscheljustiz“ machte immer mehr die Runde. Auch im anderen Zusammenhang.
„Herz-Jesu-Kammern“ nannten die Kriminalisten die Gerichte, die über Kapitalverbrechen
zu entscheiden hatten. Jetzt springt der NRW-CDU-Innenminister Reul auf den
Zug, geht gegen „Clankriminalität“ vor und erntet Applaus von allen Seiten, natürlich
nicht von der arabischen und ganz linken politischen.
In
Berlin gibt es 58 (!) organisierte Banden, die meisten mit internationaler
Besetzung, berichtete erst kürzlich das dortige LKA. Über die rot-rote
Sicherheitspolitik in der Bundeshauptstadt lacht sich die Republik kaputt
(Stichwort: Görlitzer Park).
Und
im Straßenverkehr? Wann seid ihr zum letzten Mal kontrolliert worden? Hier
zählen wir immer noch über 3.000 Tote und viele Verletzte. Die Verkehrsmoral
sinkt. Illegale Autorennen, verrückte Hochzeitskorsos, verstopfte Autobahnen
sind Schlagzeilen. Da machte sogar der jetzige CDU-NRW-Ministerpräsident mit
Wahlkampf. Und die Polizei? Nicht zu sehen. Ich bin in anderen Zeiten als junger
Schutzmann groß geworden. Als Verkehrskontrollen noch ein Großteil der
polizeilichen Arbeit war.
Der
mangelnde Respekt und die Anerkennung von Polizei, Feuerwehr und anderen Rettungskräften
geht immer mehr verloren, so dass schon eigene öffentlichkeitswirksame
Kampagnen gefahren werden müssen. In den Netzen wird gepöbelt, gehetzt und
beleidigt. Wenn eine Politikerin auf das Übelste beschimpft wird, schüttelt
wieder die Republik über das Justiz-Urteil den Kopf.
Und
von Euch auf der Bühne? Kein Wort dazu. Existieren Sicherheit und die dafür
maßgeblich Verantwortlichen für euch nicht? Das kann ich nicht verstehen.
Was
nützen all die sozialen Errungenschaften, wenn sie nicht im sicheren
Alltagsleben eingebettet sind, wenn die Menschen nicht angstfrei leben können
oder Opfer vom Straßenverkehr werden. Besonders in Stadtteilen mit hohem
Ausländeranteil wächst die Unzufriedenheit. Dann steht so einer wie Guido Reil
auf, der Bergmann aus dem Essener Norden, und schwenkt ganz nach rechts. Und alte
Sozis laufen ihm hinterher. Hochburgen der Sozialdemokratie gehen verloren.
Ich
bin als „Rentnerblogger“ in den sozialen Netzwerken unterwegs. Die Beiträge
hier mögen nicht repräsentativ sein, allerdings geben sie ein Stimmungsbild
wieder. Letztens saß ich in der Nähe eines Rentnerstammtischs und lauschte. Ich
dachte nur: Hoffentlich sind die nicht auf Facebook unterwegs.
Die
Menschen haben Angst vor Überfremdung. Die Menschen haben Angst vor
Kriminalität im öffentlichen Raum. Selbst in ihrer Wohnung fühlen sie sich
nicht mehr sicher. Zugegeben - Angst, Opfer eines Verkehrsunfalls zu werden,
haben sie nicht. Das Vertrauen zur Politik geht verloren.
Diese
wichtigen Themen könnt ihr doch nicht negieren. Schlafen Eure Berater auf dem
Baum? Wollt ihr nichts gegen dieses Entwicklung tun?
Zum
Beispiel an den Organisationsstrukturen der Behörden, mehr Polizeibedienstete
einstellen oder Gesetze an die geänderten Gegebenheiten anpassen.
Jetzt
soll mir niemand mit „Subjektivem Sicherheitsgefühl“, wie Boris Pistorius am
Sonntag, kommen. Das habe ich aus Loyalitätsgründen und dienstrechtlicher
Verpflichtung zwei Jahrzehnte als Sprecher meiner Behörde auch getan.
Es
ist in Ordnung, wenn Ihr Euch für „Ein gutes Kita-Gesetz“, für ein „Bildungs-
und Teilhabegesetz“, für eine Grundrente, für mehr Bildung und gute Bezahlung
stark macht, aber vergesst nicht, was die Menschen noch beschäftigt. Sonst
werdet ihr, wie ich übrigens auch, in die „Gutmenschenecke“ gedrängt. Das ist erst
einmal nicht tragisch. Denn was soll an guten Menschen schlecht sein? Aber ihr
kommt da nicht mehr raus und verliert eine Wahl nach der anderen. Die Realität
dürfen Politiker*innen nicht aus den Augen verlieren. Ihr tut es.
Ich
hoffe, ich behalte, im Gegensatz von meinem Kollegen, mein sozialdemokratisches Herz noch eine Weile.
Wie lange allerdings, weiß ich nicht?
Glückauf
Euer
Uwe
Klein - Essen/ Ruhrgebiet
P.S.
Und während ich hier noch schreibe, berichten die Medien über die antisemitischen
Morde in Halle. Die Republik trauert, einige reiben sich die Hände, weil ihre
Saat aufgeht.
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