Vor 50 Jahren.
Für die Polizei ist es das Jahrzehnt von „Meyer, Stiefel, Jacoby“. Die drei
Verkehrswissenschaftler stellen die These auf: Einem Verkehrsunfall muss eine
Vielzahl von folgenlosen Sanktionen entgegenstehen. Nur so können die
Unfallzahlen gesenkt werden. Die Politik musste handeln. Es gab nämlich zu
dieser Zeit bis zu 21.000 (!) Verkehrstote und Zehntausende Verletzte in einem
Jahr in Deutschland. Die Bevölkerung einer Kleinstadt starb auf den Straßen.
Für uns junge Polizisten hieß das in den 1970er.Jahren: Tät, Tät, Tät. Anzeigen, Anzeigen, Anzeigen. Unser damaliger Wach- und Einsatzführer entließ uns in den Nachtdienst mit den Worten: „Wir sind wieder blutrünstig.“ Im Früh- und Spätdienst lautete die Parole: „Owi lacht", pro Beamter mindestens eine Anzeige aus dem Bereich der Hauptunfallursachen (Geschwindigkeit, Rotlicht, Überholverbot etc.) Einsatztrupps "Verkehr" (ET/V) gab es auf jeder Hauptwache. Und manch ein Kollege sah dann schon einmal Rot, obwohl die Ampel noch Gelb zeigte. Die Autofahrer wurden gejagt.
Und wer viel an Blut und Owis heranschaffte, der wurde auch schon mal eher befördert. Denn die Vorgesetzten bis hin zum Innenministerium achteten auf die Zahlen. Es gab den so genannten „Schimpferlass“. Die Behörde, die in der Tabelle unten stand, erhielt einen Rüffel aus Düsseldorf. Das war keine gute Zeit – für Autofahrer und Polizei.
Und heute. Die Autos sind sicherer geworden (Rückhaltesysteme, Airbags etc.), das Rettungssystem ist besser, ebenso die ärztliche Kunst etc. Und die Verkehrsdichte nahm immens zu. Im Stau passieren keine Verkehrsunfälle.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verknüpfte die enorme und oftmals übertriebene Verkehrsüberwachung und den Leistungsdruck mit Beförderungen der Polizisten, wie der Artikel in der NRZ vom 5.4.1975 beweist. Und da war etwas dran.