Dienstag, 26. November 2019

CDU-Schmierentheater um den Polizeigewerkschafter Rainer Wendt


Man mag ihn oder mag ihn nicht. Ich gehöre zu der zweiten Kategorie. Rainer Wendt ist Vorsitzender der „kleineren“ Polizeigewerkschaft DPolG mit immerhin knapp 95.000 Mitgliedern. In vielen TV-Gesprächsrunden von Illner, Maischberger, Plasberg und Will war er gern gesehener Gast. Er scheute sich nicht, politisch grenzwertige Meinungen zu äußern. Das CDU- und CSU-Mitglied galt als Hardliner. Dann sein öffentlicher Fall. Wendt bezog weiterhin als Polizeihauptkommissar Bezüge, obwohl er hauptamtlich als Vorsitzender für die Gewerkschaft arbeitete. Er nahm den Zusatzverdienst gerne an. Die Schuld lag allerdings bei den Verantwortlichen im NRW-Ministerium. Der Polizist im Ruhestand blieb jedoch Vorsitzender seiner Gewerkschaft. „Typisch Wendt“, hörte man in Polizeikreisen, “der macht sich nicht so einfach vom Acker.“ Es wurde allerdings medial ruhig um ihn.
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), sein Innenminister und Parteifreund Holger Stahlknecht holten jetzt den 63-Jährigen wieder aus der Versenkung. Wendt sollte Staatssekretär in Sachsen-Anhalt werden. Demnach war alles in trockenen Tüchern. Falsch gedacht. Jetzt tauchen in der BILD private SMS-Nachrichten auf. Von wem wohl dort platziert?


Nach dem Angebot zum Staatssekretär in der Regierung des kleinen Bundeslandes mit rund 2,2 Millionen Einwohnern schrieb Wendt dem Ministerpräsident Haseloff: „Es wird mir eine Freude sein, diesem großartigem Land Sachsen-Anhalt zu dienen.“ Die Koalitionspartner SPD und Grüne lehnten jedoch den gebürtigen Duisburger als Staatssekretär ab. Und dann grätschte noch die CDU-Spitze (Kanzleramt) dazwischen, so die Vermutung im politischen Berlin. Rainer Wendt sollte seine Bereitschaft  zur Übernahme des Spitzenamtes zurücknehmen. Aber wer den Polizeigewerkschafter kennt, weiß, dass dieser das so ohne Weiteres nicht auf sich sitzen lässt. Wendt ist sauer: „Die CDU ist vor den Linken und der SPD eingeknickt […] Das Kommando kam aus dem Kanzleramt“, wird er in der BILD zitiert. Bei aller Kritik an Rainer Wendt. So geht man nicht mit Menschen um. Aber in der Politik gelten andere Spielregeln. Ein Beispiel für politisches Schmierentheater. Die Beteiligten sollten sich schämen.    

Sonntag, 24. November 2019

Totensonnntag – 90-jährige Enkelin besucht Oma auf dem Parkfriedhof


Nur auf ganz wenigen Kriegsgräbern stehen Kerzen oder liegen Blumengestecke. Keine Wunder. Denn vor fast 75 Jahren wurden die Menschen hier begraben. Da gibt es natürlich nur noch wenige Angehörige. Heute stand eine ältere Dame an einem der großen Kreuzfelder auf dem Essener Parkfriedhof.
Das Bücken und Aufstellen der Kerze fielen schon ein bisschen schwer. Da hilft man gerne, und so kamen meine Frau und ich mit ihr ins Gespräch. Die grauhaaarige, feine Dame ist 90 Jahre alt und besuchte heute am Totensonntag das Grab ihre Großmutter Amalie Reimann, so wie jedes Jahr am Totensonntag.

Der 2. Weltkrieg in Essen. Bei den 272 Luftangriffen auf Essen wurden 51 Prozent des Stadtgebiets zerstört. Insgesamt 10.000 Gebäude in  Schutt und Asche gelegt,  50.000 Häuser schwer bis mittelschwer beschädigt. Rund 7500 Einwohner fanden den Tod. So auch Amalie Reimann. Ihre Enkelin, damals 13 Jahre alt, wurde vorsorglich nach Süddeutschland evakuiert, so wie viele Kinder und Frauen. Dort erfuhr sie die schreckliche Nachricht. In einer  Bombennacht 1944 fand die damals 79-jährige Oma Schutz im Franz-Sales-Haus. Eine Luftmine landete jedoch in der Nähe. Die Druckwelle zerriss ihr die Lungen. Amelia Reimann wurde 79 Jahre alt.

Dienstag, 19. November 2019

Klaus Fichtel wird 75


Herzlichen Glückwunsch Klaus Fichtel. Der Fußballer und Rekordspieler feiert heute seinen 75. Geburtstag. Noch im Alter von 43 Jahren kickte er in der 1. Bundesliga. Das hat bis heute niemand geschafft. Sein letztes Spiel bestritt er 1988. Er brachte es auf insgesamt 552 Einsätze, davon 447 für den FC Schalke 04, die anderen für Werder Bremen. In die Nationalmannschaft wurde Klaus Fichtel 23 Mal berufen. Der Junge aus dem Ruhrgebiet und gelernter Bergmann -  in Castrop-Rauxel geboren - kam als 20-Jähriger nach Gelsenkirchen. „Auf Schalke“ begann dann seine einzigartige Fußballkarriere. „Tanne“, wie er von seinen Freunden genannt wird, glänzte durch seine sportliche Qualität und seine Bescheidenheit. Heute betreut Klaus Fichtel die Traditionmannschaft von Schalke 04 als Trainer.
2019 - Klaus Fichtel beim Benefinzspiel für den verstorbenen Mike Möllensiep

Dienstag, 12. November 2019

SPD - Im Essener Norden rumort es


Was ist denn schon wieder bei der SPD in Altenessen los? Versucht da gerade die Parteispitze einen unliebsamen Genossen mit einem Trick los zu werden? Es ist das Thema in den heutigen Tageszeitungen. Ich hoffe, WAZ und NRZ liegen mit ihrer Vermutung falsch.
Karlheinz Endruschat (68) legt seit langem in seinem Bezirk den Finger in die Migrationswunde. Der Vorsitzende des Ortsvereins Essen-Altenessen und Ratsmitglied  kritisiert offen die Einwanderungspolitik und Probleme im Essener Norden. Womit er wohl vielen hier lebenden Menschen aus der Seele spricht.

„Essens OB-Kandidat bereit, mehr Flüchtlinge aufzunehmen“, lautete kürzlich die Überschrift in den Tageszeitungen. Der Oberbürgermeisterkandidat der SPD, AWO-Geschäftsführer Oliver Kern, hatte die Resolution „Seebrücke“ unterzeichnet. Und weiter heißt es in WAZ und NRZ:  „Die Stadt soll damit zum Ausdruck bringen, dass sie mehr Migranten aufnehmen will als sie rechnerisch muss, vor allem solche, die übers Meer nach Europa kommen.“
Das wird vielleicht nicht so gern von den Genossen im Essener Norden gehört. Es sei denn, mehr Flüchtlinge werden im Süden untergebracht. Nun stehen bald Wahlen zum Rat der Stadt an und die Meinungen von Endruschat und Kern zur zusätzlichen Aufnahme von Migranten konträr gegenüber.
Und plötzlich taucht eine Gegenkandidatin zu Karlheinz Endruschat auf. Birgit Petereit heißt sie, bis 2014 bei den LINKEN politisch aktiv. Und parallel treten gleichzeitig 30 neue Mitglieder in die Partei ein, schreiben die Zeitungen. Soll damit vielleicht eine Wahl einseitig beeinflusst werden? Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Meine Partei würde einen großen Fehler begehen, wenn sie einen Querdenker und Realpolitiker wie den ehemaligen Bewährungshelfer auf diese Art und Weise loswerden möchte. Sie muss endlich neben den anderen sozialen Themen begreifen, dass auch für sie unliebsame Themen wie Migration, Angst vor Überfremdung, Sicherheit und Kriminalität auf dem Zettel stehen muss. Meines Erachtens sogar ganz oben. Das gehört nämlich auch zur Sozialpolitik.  Ansonsten geht der Fahrstuhl für die SPD weiter nach unten, trotz Grundrente, Kita-Gesetz und Mindestlohn, in Essen und bundesweit.

Sonntag, 10. November 2019

9. November 1938 - vor 81 Jahren zeigte das mörderische Nazi-System sein wahres Gesicht

Ein junger Mann sitzt auf einer kleinen Mauer, stützt seinen Kopf in die Hände und weint. Er kam nach mir aus der Gedenkstätte „Yad Vashem“ für die ermordeten 1,5 Millionen Kinder in Jerusalem. Ein dunkler Raum. Kindergesichter werden auf die Wand projiziert Eine Frauenstimme liest den Namen, das Alter und den Herkunftsort eines jeden Kindes vor. Wir müssten uns drei Monate hier aufhalten, um alle Namen der Getöteten zu hören.
Am 9. November 1938 begannen sichtbar Ausgrenzung und Vernichtung von Menschen jüdischen Glaubens. Synagogen brannten nieder. Polizei und Feuerwehr sahen zu, Gaffer jubelten. Tausende Deutsche wurden von Landsleuten und Nachbarn verprügelt, misshandelt oder getötet. In den Folgejahren ermordeten die Nazis in Europa 6,5 Millionen Menschen.

Samstag, 9. November 2019

40 Jahre Essener Rathaus – mein Blick - und eine Geiselnahme


Als ich 1971 als junger Schutzmann nach Essen kam, gab es in der Stadt kein Rathaus. Die Verwaltungsdienststellen waren über das ganze Stadtgebiet verteilt.
Von Essen kannte ich als gebürtiger Gelsenkirchener nichts. Den ersten wichtigen Ort im Bezirk „meiner Gerlingwache“, den mir die älteren Kollegen („Bärenführer“) zeigten, war eine ganze Straße. Die Stahlstraße.
Stahlstraße - im Hintergrund das Rathaus
Damals trug diese ummauerte Sackgasse noch die Bezeichnung Dirnenwohnheim oder Laufstraße. Und kurz davor auf der Nordhoffstraße befand sich die kleine „Puffwache“. Ja, richtig gelesen. Dort befand sich eine Polizeiwache, weil um die Ecke verkehrsmäßig immer etwas los war. Schlägereien, Beischlafdiebstahl, Zahlungsstreitigkeiten. Als noch nicht einmal volljähriger Oberwachtmeister von knapp 19 Jahren waren die Einsätze im Rotlichtviertel immer reizvoll. Also, rein dienstlich.
Das Haus, in dem sich die "Puffwache" befand - unten links

Zurück zum Geburtstagskind. Die Alten sprachen davon, dass das alte, schöne Rathaus in der Innenstadt nach dem Krieg abgerissen wurde. Eines der wenigen Gebäude, die den Bombenangriffen der Alliierten stand hielt. An dieser Stelle stand jetzt ein viereckiger Klotz. Das Kaufhaus Wertheim. Die Innenstadtstadt lag zu 90 Prozent in Trümmern, den Rest erledigten nach dem Krieg die Stadtplaner. Eine von vielen architektonischen Nachkriegssünden.
Kirmes auf dem "Berg"
 Auf dem Ribbeckplatz, wo jetzt das „neue“ Rathaus steht, habe ich noch eine Kirmes erlebt, nicht weit von der Wache entfernt. Auf der Schützenbahn unterhalb fuhr die Straßenbahn. Und wenige Jahre später begannen die Bauarbeiten für das Rathaus. 1979 war es fertig. Da war ich schon nicht mehr auf meiner geliebten „Gerlingwache“, sondern als junger Kommissar in Steele und beim SEK.
Die zarteste Versuchung


Aber mit ein wenig Lokalpatriotismus schaute ich auf die neue Amtsstube der Stadt. Es wurde eher für unsere Verhältnisse ein Wolkenkratzer: Stahl, Glas, Beton. Höhe 106 Meter, umbauter Raum 330.000 Kubikmeter, 69.000 Quadratmeter Bürofläche für bis zu 1.900 Arbeitsplätze, ein fantastischer Rundblick aus der 22. Etage.
Einst das höchste Rathaus in Deutschland
Schildbürgerachitekten waren allerdings auch am Werk. Der Haupteingang musste ständig geschlossen bleiben. Wegen der Fallwinde. Da flogen die Röcke hoch. Wie am Flatiron-Gebäude in New York. Weltstadtfeeling. Und Kunst am Bauwerk? Laserstrahlen schossen vom Dach aus in den Nachthimmel. Aber nicht lange. Die Piloten der Flugzeuge im Anflug auf Düsseldorf fühlten sich gestört.
Tausende tanzten bei der Loveparade 2007 ums Rathaus


Am 7. Juli 1990 kam das Rathaus in die Schlagzeilen: „Geiselnahme im Ratstrakt am Geburtstag der Oberbürgermeisterin.“


Viele Essener finden den Glaskasten nicht schön. Ich bin da anderer Meinung. So schlecht ist das Rathaus dann doch nicht geworden. Ich mag es.
Happy Birthday zum 40sten, Essener Rathaus

Freitag, 1. November 2019

New York City - Wo die Armen begraben werden


Wohin mit dem mittellosen Verstorbenen einer Millionenmetropole? In New York City kommen Arme, Namenlose, Totgeborene  auf Hart Island. Die Insel liegt ganz weit draußen am Rande der Bronx.

Hunderttausende haben auf dem „Potter’s Field“ ihre letzte Ruhestätte gefunden. Strafgefangenen heben die Erdlöcher aus. Die toten Babys werden in Särge von der Größe eines Schuhkartons gelegt und übereinander gestapelt. Erwachsene beerdigt man in einfachen Holzkisten, drei hoch, zwei quer. Das spart Platz. Keine Zeremonie, kein Grabstein, kein Kreuz, kein Kranz, keine Blumen. Die Insel ist Sperrgebiet und darf nur selten besucht werden. Wer es trotzdem tut, riskiert eine hohe Geldstrafe.

Vor Jahren haben sich Menschen zu einem Projekt zusammengefunden und diesen Armenfriedhof zu einem virtuellen Museum gemacht. Sie unterstützen Familien bei der Suche nach ihren Angehörigen. Verstorbene nach 1980 sind auf der Homepage aufgelistet. Aber auch beeindruckende Fotos und kleine Filme sind zu sehen: https://www.hartisland.net/


Auf der Nachbarinsel „City Island“ habe ich mich 2012 tätowieren lassen. Seitdem ziert die Sonne der „Hopi Indianer“ mein rechtes Bein. Tommy, der Tätowierer, ein Typ wie aus einem Rockerfilm, führte eine sensible Nadel und hörte Beethoven. Bei ihm tat es nicht weh. Nach zwei Tagen war die Wunde verheilt.

Erst durch mich erfuhr Tommy, dass jede Woche einmal ein mit Holzsärgen beladener Lkw an seinem Studio zur Anlegestelle der Fähre vorbeifährt. Gleich um die Ecke geht die Reise für die Toten anschließend von City Island nach Hart Island rüber.


1972 sang Alice Swoboda ein Lied über diesen außergewöhnlichen Armenfriedhof




Textauszüge:

„Die Leute haben mich geschlagen, weil sie mir das Gefühl gegeben haben, dass ich meine Seele verloren habe. Jetzt wird der Teufel keinen Deal machen, aber in „Potter’s Field“ wartet ein zwei Meter großes Loch auf mich. Verbrachte meine Tage als Landstreicher und auf den Ozeanen, auf der Suche nach dem, wofür es ist, schritt ich durch die Nächte. Ich schlief im Dunkeln der Bögen, in denen alle Fremden schliefen, sah die Schattenseite des Landes, als die Sonne auf mich unterging. In Potter's Field findest du mich…
[…]

Unter meinen Raubtieren und Freunden ruhe ich mich aus. Schließe deine Augen und du kannst das Weinen hören. Vergessene einsame Herzen können ihren Frieden nicht machen. Höre ungetaufte Seelen, die sich nach Erlösung und Erleichterung sehnen, die Schattenseite des Lebens und die Schattenseite des Glaubens. In "Potter’s Field“…