Samstag, 16. November 2024

Familiengeschichte - Meine Mutter beim "Bund Deutscher Mädchen"

Meine Mutter, Katharina Distelrath, erzählte das ein oder andere Mal aus ihrer BDM-Zeit. Eigentlich nur Gutes. Die Abkürzung steht für "Bund Deutscher Mädchen".  „Wir waren als Mädchen bzw. junge Frauen zusammen, haben auf den Feldern gearbeitet und den Bauern geholfen“. Ja, das stimmt. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Und: „Da habe ich richtig zugenommen, weil wir immer viel auf dem Teller hatten.“ In dieser Zeit war das keine Selbstverständlichkeit.

Katharina ("Käthe") Distelrath 1942

Das damalige Nazi-Regime verfolgte mit der Organisation junger Menschen eine politische Strategie.   Der BDM war ab 1936 Teil der Hitlerjugend. Die Mädchen sollten das nationalsozialistische System verinnerlichen. Körperliche Ertüchtigung, Gehorsam, Volksgemeinschaft, Führertreue. Hinzu sollten sie auf die Rolle der Frau als Mutter und Hausfrau vorbereitet werden (Stichwort: Mutterkreuz). Hitler: „Auch die deutsche Frau hat ihr Schlachtfeld: Mit jedem Kinde, das sie der Nation zur Welt bringt, kämpft sie ihren Kampf für die Nation.“ Auch der Einsatz im Krieg als Helferinnen in verschiedenen Bereichen (Lazarett, Kinderbetreuung etc.) war beabsichtigt. Meine Mutter war später in Berlin als Bürokraft zu einer Luftwaffeneinheit abgeordnet. 

Mutter links im Bild - das Essen war ausreichend

Im Nachlass von ihr sind Gott sei Dank viele kleine Schwarz-Weiß-Fotos aus dieser Zeit vorhanden. Nur wenige sind auf der Rückseite beschriftet. Schade. Aber die Bilder sagen trotzdem eine Menge aus. So war sie mit Gleichaltrigen in einem Barackenlager am Rande des kleinen Ortes Rönsahl in der Nähe von Gummersbach und Meinerzhagen im Sauerland untergebracht. Auf einigen der Bilder sieht man die Mädchen bzw. junge Frauen bei der Arbeit. Viele Gruppenaufnahmen sind darunter. Aber auch: Antreten, Fahnenapell und politischer Unterricht mit Fräulein Müller, wie es auf der Rückseite heißt.

Politische Zeitungsschau bei Frl. Müller

Ich bin froh, dass unsere Mutter einiges aus dieser Zeit ihren Kindern erzählt hat. Auch wenn es nicht alles war. Einige Eltern unserer Generation schwiegen -  aus Scham oder ihrer Rolle in der schlimmsten Zeit deutscher Geschichte. 

Morgenapell
 

Sauerland - Am Rande von Rönsahl das Barackenlager

Dienstag, 12. November 2024

Terror - Mord an Günter von Drenkmann

Vor 50 Jahren wurde am Sonntagabend, 10.11.1974

                                                    Günter von Drenkmann

in seinem Haus in Berlin von Terroristen der „Bewegung 2. Juni“ ermordet. Offensichtlich scheiterte die Entführung des Kammergerichtspräsidenten. Sieben Terroristen klingelten an der Haustür und gaben glaubhaft vor, einen Blumenstrauß („Fleurop“) zu überreichen. Der 64-Jährige hatte einen Tag zuvor Geburtstag. Es kam zum Handgemenge, Schüsse fielen. Günter von Drenkmann wurde von einem sogenannten „Dum-Dum-Geschoss“ (Hohlspitzgeschoss, Kal. 38) tödlich getroffen.  Anlass der Tat war offensichtlich Rache nach dem Hungertod des Terroristen Holger Meins einen Tag vorher.

Die Täter konnten nie ermittelt werden. Auch nach Beendigung des RAF-Terrorismus, deren Identifizierung und Verurteilung der Terroristen schweigen (fast) alle, die heute auf freiem Fuß sind. 

 

Jeder Polizist wurden in dieser Zeit mit Fahndungskarten ausgestattet.

Meine Buchempfehlung: 1977 - RAF gegen Bundesrepublik von Butz Peters. Gibt es kostenlos bei der Landeszentrale für politische Bildung.




Samstag, 9. November 2024

Pogromnacht – Polizei und Feuerwehr sahen tatenlos zu

9. November 1938. Pausenlos erreichten Fernschreiben die Funkstelle der Polizeikaserne an der Norbertstraße aus Berlin. Der Inhalt: „Feuerwehr und Polizei dürfen nicht eingreifen – Überfallwagen nicht ausrücken.“ Der Zeitzeuge Peter Freres, damals Polizeioberwachtmeister, beschreibt die Nacht in einem WAZ-Artikel als die Synagogen brannten und die Geschäfte von jüdischen Bürgern zertrümmert wurden. Er war damals Fahrer vom Einsatzleiter, Polizeioberst Heimburg. Schweres: „Der Polizeioberst sagte während der Fahrt durch Essen kein Wort, zeigte mir nur mit der Hand den Weg. Überall SS- und SA-Männer, die wüteten.“ An der Synagoge am Steeler Tor das gleiche Bild. Polizei und die Feuerwehr hielten sich an die Befehle. Sie schritten nicht ein. 


 Was im Nazi-Deutschland von 1933 bis 1945 geschah, ist Teil unserer Geschichte. Die „alte“ Synagoge, die größte nördlich der Alpen, ist heute eine Kulturstätte mit einer Dauerausstellung zum Judentum.

Der immer noch vorhandene Antisemitismus ist an dem Streifenwagen zu sehen, der rund um die Uhr das Gebäude bewacht.

 

Freitag, 27. September 2024

Schalke - Friedhof

 

Auf Schalke…

…herrscht zurzeit Untergangsstimmung. Trotz großer Ambitionen beim Start in die 2. Fußball-Bundesliga befindet sich die Mannschaft zurzeit in der Abstiegszone. Platz 16. Der sportliche Leiter, Marc Wilmots, und der Trainer, Karel Geraets, wurden nach dem letzten Debakel – 3:5 gegen Darmstadt trotz 3:0 Führung - freigestellt, also rausgeschmissen. Friedhofsruhe herrscht eigentlich „auf Schalke“ nie.  Das haben Generationen seit 1904 erfahren müssen – Vorstände, Spieler und Fans.

 

Das Schalke-Feld auf dem Sutumer Friedhof

Friedhofsruhe findet man nur auf dem nahe gelegenen Schalke-Friedhof in Gelsenkirchen-Sutum, in Sichtweite der Arena. Auf dem Schalke-Feld können seit 2012 die Spieler und Fans über den Tod hinaus mit ihrem Verein verbunden bleiben. Bei unserem letzten Besuch strahlte der Himmel in den Vereinsfarben über den Grabstätten. So singen die Fans bei jedem Heimspiel ihre Hymne: „Blau und Weiß, wie lieb' ich dich - Blau und Weiß, verlass mich nicht - Blau und Weiß ist ja der Himmel nur, der Himmel nur - Blau und Weiß ist unsere Fußballgarnitur…“


Willi Koslowski "Der Schwatte" starb in diesem Jahr

Eine Schalker Fußball-Legende Reinhard ("Stan") Libuda

Einmal Schalker - immer Schalker


In Sichtweise - die Schalke-Arena

Donnerstag, 5. September 2024

Leseratten und Dorfdeppen

 

Ich bin eigentlich keine Leseratte. Also, was Romane betrifft. Eher Sachbücher. Am besten die, die man nicht in einem durchlesen muss. Vor langer Zeit hat mir ein Polizeikollege ein Buch empfohlen und gleich in die Hand gedrückt. „Das Buch ist etwas für dich.“ Natürlich ein Thriller – ein Krimi, der in Tokio spielt. Ein Mädchen (7) wird entführt und später ermordet aufgefunden. Der Täter verschwindet mit dem Lösegeld. Der Fall bleibt ungelöst.  Ein sog. Cold Case.

Im Mittelpunkt der Geschichte der Polizeisprecher eines kleinen Polizeireviers. Sein Name: Yoshinobu Mikami

Vierzehn Jahre später verschwindet auch seine Tochter. Die Jagd beginnt. Passt, denke ich. Und fange an. Der Nachteil. Das Buch hat knapp 760 Seiten und ganz viele japanische Namen. Drei Versuche liegen hinter mir. So bis Seite 50 bin ich jedes Mal gekommen. Dann der Abbruch, weil mich andere Dinge und Interessen trieben. 

 

"64" von Hideo Yokoyama erschienen im Atrium Verlag Zürich

Kurze knappe Statements. Meist in den sozialen Netzwerken. Facebook, Instagram und jetzt sogar TikTok. Da werde ich fast schon zum Missionar. Wie sagte einst jemand über die digitale Welt. Früher hatten die Dorfdeppen einen begrenzten Raum, heute treiben sie sich im Netz herum. Ich fordere eine TikTok-Polizei. Aber bis die Politik reagiert, haben die Deppen längst die Welt erobert.

Ich glaube, ich starte im nächsten Urlaub den vierten Leseanlauf - im Strandkorb an der Ostsee. Das Handy bleibt aus. Aber wahrscheinlich reicht der Kurzulaub für die 760 Seiten nicht aus.