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Sonntag, 30. Mai 2021

Erich

Es ist eine typische Familiengeschichte der Nachkriegszeit. Erich hat zurzeit sein Nachtlager unter der Gustav-Heinemann-Brücke an der Ruhr in Essen-Werden aufgeschlagen. Sorgfältig liegt sein Hausrat um ihn und seinem Fahrradgespann herum. Die Decken ordentlich gefaltet. Ich komme mit ihm ins Gespräch, frage nach einem Foto, weil mir das Graffito hinter ihm so gut gefällt. Ein riesiger, großer, gelber Vogel. Ein Symbol des Ruhrgebietes.  Man findet die Kanarienvögel auch rund um das Weltkurturerbe der ehmaligen Zeche "Zollverein". Der 64-Jährige nimmt einen großen Schluck aus der Pulle. Appelkorn. Das war mal in den 1970er-Jahren ein Klassiker. ("Bier und ’nen Apfelkorn - schalalalala"). Erich: „Ne, der ist preiswert.“

Erich stammt aus Oberaden, ein Stadtteil von Bergkamen in der Nähe von Unna. Ein Bergarbeiterkind. Seine Familie hat allerdings ihre Wurzel hier im Essener Stadtteil Fischlaken, einem der ältesten im Ruhrgebiet. Seine Mutter heiratete nach dem Krieg einen Bergmann, der auf „Pörtingsiepen“ einfuhr. „Was ist das eigentlich für ein Name?“, fragt mich Erich, „Zechen heißen doch eigentlich Hugo, Zollverein oder so ähnlich.“

Dann erfolgt der Wohnungswechsel nach Oberaden. An seinem Vater lässt der gelernte Vermessungstechniker kein gutes Wort. „Er war gewalttätig, hat meine fünf Geschwister und mich ständig verprügelt.“ Und dann nach kurzer Pause: „Einen meiner Brüder hat er so kräftig geschlagen, das er starb. Das hat mir Mutter erst viel, viel später erzählt.“ Erich drückt es drastischer aus. 

 

Erich unter der Ruhrbrücke - er weiß nicht, wie lange er bleibt

Nach der Schule wird er Vermessungstechniker und zieht nach Berlin. Als sein Vertrag vom Arbeitgeber nicht verlängert wird, geht er zu Fuß zurück ins Ruhrgebiet, erzählt er mir. Und dann beginnt der Absturz. „Alkohol ist der Retter in der Nacht“, singt Herbert Grönemeyer. Nicht für den damals 50-Jährigen. Von da an zieht er durch die Lande – mit seinem Fahrradgespann, kreuz und quer, längst des Rheines, längst der Ruhr. Seit 14 Jahren.

So langsam wir dieses Leben schwer. „Es geht nicht mehr so richtig. Die Kräfte lassen nach.“ Auf die Frage, ob er nicht sesshaft werden möchte, sagt Erich: Ja, schon. Aber das ist alles nicht so einfach". Hilfen von Diakonie oder Caritas lehnt er kategorisch ab.

Jetzt wartet er auf warmes Wetter. Das ist jetzt für Ende Mai angekündigt. „Dann springe ich in die Ruhr und kann mich mal wieder richtig säubern. Außerdem braucht mein Bart auch mal wieder einen Schnitt.“

Freitag, 28. Mai 2021

Die Personalratswahl…

 ...bei der Essener Polizei mit rund 2200 Wahlberechtigten hatte in diesem Jahr eine Wahlbeteiligung von knapp 62 Prozent. Ich hoffe nicht, dass die Gestaltung des Wahlbüros eine höhere Abstimmung verhinderte. 😏

Von den 15 Sitzen fielen …
…12 auf die Gewerkschaft der Polizei (GdP), 2 auf den Bund Deutscher Kriminalbeamter (BdK) und einer auf die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG)


Mittwoch, 19. Mai 2021

Israel – was war der Auslöser der jetzigen Krise?

Der Auslöser der kriegerischen Auseinandersetzungen in Israel und Gaza ist vielen unklar und wird oft falsch dargestellt. Nach dem Motto: Die Israelis vertreiben Palästinenser aus ihren Wohnungen in Jerusalem. Das sei nach Ansicht von Sebastian Thormann falsch. Dazu schreibt der Student aus Passau und Chef vom Dienst des Jugendmagazins Apollo News , der auch in amerikanischen Medien, so z.B. Lone Conservative und Washington Examiner, publiziert:

 „Anders als oft suggeriert geht es dabei um Land, das bereits vor der Gründung Israels im Eigentum von Juden war und während der jordanischen Besetzung Jerusalems von jordanischen Behörden an Palästinenser vermietet oder verpachtet wurde – allerdings ohne die eigentlichen Eigentümer zu enteignen oder den dort wohnenden Palästinensern das Eigentum zuzusprechen. Nach der Wiedervereinigung Jerusalems durch Israels Sieg im Sechs-Tage-Krieg können die ursprünglichen Besitzer ihre Eigentumsrechte wieder ausüben. Es geht also keineswegs darum, dass der israelische Staat Palästinensern Land „wegnehmen“ will, sondern um Privatleute, in dem Fall Juden, die ihren Anspruch auf die fragliche Häuser gegen illegale Bewohner gerichtlich durchsetzen wollen. Das Jerusalemer Bezirksgericht gab ihnen dabei Recht. Der Fall geht nun vor das Oberste Gericht Israels.“ 

 (Quelle: https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/israel-raketenbeschuss-terror-jerusalem-ueberblick/)

Jerusalem - Blick auf die al-Aqsa-Moschee 

 Vor der Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg begannen die heftigen Auseinandersetzungen.Gläubige attackierten israelische Sicherheitskräfte mit Steinen. Die Polizei feuerte Gummigeschosse und Blendgranaten auf die Angreifer.

 

 

 

Seniorin (84) wurde Opfer eines Telefon-Trickbetrügers

Essen-Werden: Ältere Menschen sollten immer wieder von Angehörigen, Freunden und Bekannten auf die Masche angesprochen werden. Sprecht mit den Eltern und Großeltern, weist sie auf das Telefonverhalten hin.  Die Opfer werden psychisch so unter Druck gesetzt, dass sie den Betrug nicht bemerken. In der letzten ZDF-Sendung „XY-ungelöst“ wurde über einen Fall berichtet, bei dem eine Seniorin sage und schreibe 400.000 Euro den Ganoven aushändigte. Die Täter sitzen meist im Ausland und haben in Deutschland ihr Handlanger, die die Wertgegenstände bzw. das Geld abholen. Viele Geschädigte zeigen aus Scham die Straftaten im Nachhinein nicht an.

Hier geht’s zum aktuellen Fall aus Essen-Werden: 

 https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/11562/4917081

 

Sonntag, 16. Mai 2021

„Mein Körper befindet sich in Israel – meine Gedanken in Berlin“

Vor zwei Jahren habe ich in Tel Aviv einen Mann auf einer Studienreise der International Police Association (IPA) durch Israel auf einem Vortrag kennengelernt. Arye Sharuz Shalicar. Sein Name lässt eigentlich nicht auf seine deutsche Herkunft schließen. In diesen Tagen sehe ich sein Gesicht häufiger beim Nahost-Konflikt in den Nachrichten als israelischen Militärsprecher. Er spricht druckreifes Deutsch in die Mikrophone. Kein Wunder, denn der 43-Jährige ist in Göttingen geboren und in Berlin aufgewachsen. Im Kiez, in Wedding. Und hier, wo viele arabische Migranten leben, machte er seine Erfahrungen, als Jude in Deutschland zu leben.

2019 in Tel Aviv - Arye Sharuz Shalicar

Diese hat er in seinem ganz persönlichen Buch „Der neu-deutsche ANTISEMIT – Gehören Juden zu Deutschland?“ niedergeschrieben. Auszug: „Als ich nämlich mit 14 zu ersten Mal von wilden jungen Arabern geschlagen wurde, konnte ich kein Hebräisch, hatte keine jüdischen, geschweige denn israelische Freunde, ging nicht zur Synagoge, feierte keine jüdischen Feste, aß nicht koscher, hatte keinen israelischen Pass […]. “ Er hört Sprüche wie „Alle Juden sollten getötet werden oder Die Juden sind unsere Feinde“.

Als Jugendlicher schließt sich einer deutsch-kurdischen Gang an, spricht wie sie, benimmt sich wie sie und ist in Berlin als Graffitisprüher unterwegs. Sein Glück. Hussein vom berüchtigten E-Zein-Clan, hält die schützende Hand über ihn hält. „Meine Lebensversicherung im Kiez“, wie er sagt. Nach dem Abitur leistet er seinen Grundwehrdienst bei der Bundeswehr als Sanitäter ab und beginnt ein Studium der Politikwissenschaft, des Judentums und des Islams an der Freien Universität Berlin.

Ein aktuelles Foto von Arye Sharuz Shalicar von seinem Twitter-Account

Mit 24 Jahren wandert der Berliner nach Israel aus, geht zum Militär, wird Offizier, um „ein Leben der Zugehörigkeit zu führen, ein Leben ohne schiefe Blicke, ein Leben als Jude“.

In seinem  Buch rechnetet Arye Aharuz Shalicar auch schonungslos mit den deutschen Medien und der Politik ab. Er schrieb es 2018. In diesen Zeiten ist es aktuell wie nie.

„Der neu-deutsche ANTISEMIT – Gehören Juden zu Deutschland?“, als Taschenbuch erschienen im Hentrich und Hentrich Verlag, Berlin, 16,90 Euro.

 

Freitag, 14. Mai 2021

Offener Judenhass vor Synagoge - Polizeieinsatz in Gelsenkirchen

Vor der jüdischen Synagoge in meiner Heimatstadt versammeln sich nach den Vorkommnissen in Israel/ Gaza am Mittwochabend rund 180 Personen, meist junge Männer, aber auch ein paar Frauen. Sie kommen vom Hauptbahnhof. Hatte sich dort um 17.40 Uhr getroffen und sind zum jüdischen Gotteshaus marschiert.  Hier schwenken sie türkische, palästinensische, algerische und tunesische Flaggen. Und jetzt kommt der eigentliche Skandal: Sie rufen lauthals und immer wieder hasserfüllt im Chor: "Scheiß-Juden, Scheiß-Juden". Die Polizei schreitet dagegen direkt nicht ein, beschränkt sich auf Beweissicherungsmaßnahmen, fertigt später Strafanzeigen und schützt das Gebäude. So weit, so gut. 

Auf eine einschließende Ingewahrsamnahme (ugs. Kessel) zur Personalienfeststellung wird verzichtet. Die Täter können nach etwa zwei Stunden unerkannt verschwinden, nachdem die Versammlung für beendet erklärt wird.

Die jüdische Synagoge in Gelsenkirchen

Die Gelsenkirchener Polizei veröffentlicht in den späten Abendstunden eine kurze Pressemitteilung, spricht darin von „antiisraelischen Rufen“ (!).

https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/51056/4914250

Erst durch die Veröffentlichung eines kurzen Videos durch den „Zentralrat der Juden“ auf Twitter und Facebook („Judenhass mitten in Gelsenkirchen vor der Synagoge. Zeiten, in denen Juden auf offener Straße beschimpft werden, sollten längst überwunden sein. Das ist purer Antisemitismus, sonst nichts!“) einen Tag später wird der tasächliche Geschensverlauf deutlich. 

Der Innenminister Herbert Reul begründet die zurückhaltende Taktik mit fehlenden Einsatzkräften vor Ort. Die Polizei sei von der unangemeldeten, spontanen Demonstration überrascht worden, sagt er im Interview dem WDR. Die meisten Medien berichten zwar über den Vorfall, aber ebenfalls zunächst sehr zurückhaltend. Der Wortlaut "Scheiß-Juden" taucht in den Beiträgen nicht auf. Es heißt, die Menge habe antisemitische Parolen gerufen. Erst einen Tag später wird detaillierter berichtet.

Ich möchte nicht vorverurteilen, kenne auch nicht die Einzelheiten, Personalstärken etc. Gelsenkirchen liegt inmitten des Ruhrgebietes. Hätten nicht schneller Unterstützungskräfte aus Nachbarbehörden alarmiert werden können? Innerhalb von zwei Stunden müsste das möglich gewesen sein, so meine dienstlichen Erfahrungen. Intern wird der Einsatz nachbereitet, das ist Standard. Eine öffentliche und politische Debatte muss die Folge sein. 

Ich bin wirklich entsetzt und hätte es nicht für möglich gehalten, dass so etwas 76 Jahre nach Kriegsende und dem Mord an Millionen Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland vor Synagogen passieren konnte.

Polizeipräsidentin Britta Zur äußert sich einen Tag nach dem Vorfall

 P.S.  Die Polizeipräsidentin Britta Zur äußert sich politisch auf „Twitter“. Kein Wort zum Einsatz. Von den Islamverbänden habe ich bislang noch nichts gehört.
Die Polizei meldet gestern kurz und knapp die Identifizierung eines Deutsch-Libanesen (26) und die Einrichtung einer Ermittlungskommission beim "Polizeilichen Staatsschutz".

 https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/51056/4914519

 

 

 

 

Mittwoch, 5. Mai 2021

Hausräumung

Heute berichtet die NRZ in der Rubrik "Vor 40 Jahren" von einer Hausräumung an der Segerothstraße 118. Stadt und Polizei waren sich im Umgang mit den Besetzern uneinig. Während Vertreter der Stadtverwaltung sich mit ihnen einigen und sogar einen Mietvertrag abschließen wollte, setzte die Polizei den richterlichen Beschluss um und räumte das Haus. Der damalige Polizeipräsident Dr. Max Bloser (CDU) wird im Artikel kernig-konservativ bezeichnet. Das Foto der renommierten Pressefotografin Marga Kingler stammt ebenfalls aus dieser Zeit und zeigt das Ende der Räumung eines anderen Hauses. Ich finde es klasse. Aber nicht, weil ich zufällig im Mittelpunkt stehe.