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Samstag, 3. Oktober 2020

Systemrelevante Engel

Systemrelevant. Was für ein holpriges Wort, das viele vor der Corona-Pandemie noch gar nicht kannten. Es wird meist im Zusammenhang mit Berufen erwähnt. Als systemrelevant werden Unternehmen, kritische Infrastrukturen oder Berufe bezeichnet, die eine derart bedeutende volkswirtschaftliche oder infrastrukturelle Rolle in einem Staat spielen, dass ihre Insolvenz oder Systemrisiken nicht hingenommen werden können oder ihre Dienstleistung besonders geschützt werden muss. (Quelle: Wikipedia) Diese Definition liest sich auch nicht besser.

Ein Lächeln von Lareen heilt

Nach drei Wochen Aufenthalt im Huyssenstift der Kliniken Essen Mitte auf der Station „Grillo“ beinhaltet der Begriff jetzt für mich viele Namen: Lareen, Jana, Chris, Jasmin, Daniela, Sylvia, Micki, Polina, Alina, Tara, Sabine, Areti, Jan, Steffi, Kristina, Rüdiger, Alessandra, Martin, Dirk und viele mehr. So heißen nämlich der Prof., die Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte und der Hausmeister. Rund 600 Betten hat die Klinik, „meine“ Station 30. Ich liege seit Mitte September in einem. Patient auf Zimmer 1.303. Fast noch im Hochsommer reingekommen.

Herzen hinter der Maske

Als Patient wird man zum Kleinkind. Hilfe rund um die Uhr wird benötigt. Zumal der Eingriff an mir nicht ohne war. Rund vier Stunden geschnitten und genäht. Bei mir liegt jetzt nichts mehr schwer im Magen, auch die Liebe geht nicht mehr durch. Er ist weg. Fast jede Bewegung und Handlung fällt anfangs schwer. Alle, aber wirklich alle, damit schließe ich den Hausmeister Dirk, die Putzfrau Ibis und die Servicekräfte mit ein, sind großartig. Freundlich, hilfsbereit, kompetent. Keine Schwestern Rabiata oder "Götter in Weiß" mehr wie früher, als man sich eher im Knast wähnte als in einer Klinik.

Visite - Spaß am Krankenbett mit den Ärztinnen

Kaum geklingelt, steht schon jemand im Krankenzimmer. Höfliche Umfangsformen sind an der Tagesordnung. Anklopfen. Danke. Bitte. Gerne. Ein „Ruhrpottmädchen“ habe ich besonders ins Herz geschlossen. Alia, 22 Jahre alt, aus Oberhausen. Ihre direkte Ansprache hat mir besonders gut gefallen: „Na, Herr Klein, haben Sie Piene?“ und mit einem Augenzwinkern: „ Stellen Sie sich nicht so an, Sie liegen hier doch nur so rum?“ Manchmal braucht auch der Patient einen Tritt in den Hintern. Alia darf das. Als Sie jetzt wieder zur weiteren Ausbildung muss und sich mit den Worten: „Alles Gute, mein Lieblingspatient“, verabschiedet, muss der harte, ehemalige SEK-Mann ganz schön schlucken.

Jetzt weiß ich, was systemrelevant bedeutet. Diesen Engeln wünsche ich die Wertschätzung, die ihnen zusteht. Nicht nur mit dem Herzen, sondern auch im Portmonee! Wenn alles klappt, darf ich Anfang nächster Woche nach Hause. Welche Freude. Aber irgendwie werde ich meine Systemrelevanten im Huyssenstift vermissen.

Training für den Neuaufbau

P.S. Und an die Ausländer-Raus-Schreihälse gerichtet. Ganz viele von meinen Schutzengeln sind nicht in Deutschland geboren. Ohne sie wäre unser Gesundheitssystem, sorry, nämlich im Arsch. Also, Schnauze halten, vielleicht braucht ihr die ausländischen Engel auch einmal.

4 Kommentare:

  1. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  2. Wie absolut herz- und hirnergreifend! Danke, lieber Uwe - einmal mehr - für diesen wichtigen und Weltbild-geraderückenden Einblick in das, was wirklich wichtig ist! In einem Kommentar bei facebook steht "Herzkino" - in der Tat.
    Ich wünsche dir schnelle, unkomplizierte und weitestgehend mögliche Genesung und Regenerierung, mein Freund.

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  3. Ui wie schön geschrieben. Da bekommt man ja Tränen beim Lesen in den Augen...und ja, ohne den ausländischen Mitbürgern sehe es verdammt leer aus in der Pflege..ihnen wünsche ich gute Besserung und bis bald an der Tanke. Liebe Grüsse, Carsten

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