Wie aussagekräftig sind Erkenntnisse und Aussagen der
Wissenschaft in den verschiedenen Disziplinen?
Viele Menschen orientieren sich an den vermeintlich gesicherten
Erkenntnissen der Forscher zu hundert Prozent. Ein Argument, das in Debatten häufig benutzt wird. Zum Beispiel in der Medizin, wenn es gegen alternative Heilmethoden geht. Da
werden Impfgegner und Homöopathen mundtot gemacht oder angefeindet, wie der
Arzt Ignaz Semmelweis? Ganz lange
her. Er kritisierte heftig die
Schulmediziner im 19. Jahrhundert und machte sie und das Pflegepersonal aufgrund
mangelnder Hygiene für die Müttersterblichkeit („Kindbettfieber“) bei Geburten verantwortlich. Er wurde belächelt und heftig angefeindet.
Nestbeschmutzer. Später wurde er zum „Retter der Mütter“. Seine Hygienevorschriften sind heute noch
vorbildlich. Hände waschen!
Prof. Ignaz Semmelweis (1818 -1865) |
Ich habe noch als junger Schutzmann gelernt, dass viele Buß-
und Verwarnungsgelder sowie Blutproben, die Unfallzahlen senken würden. Meyer,
Stiefel, Jacobi hießen die Verkehrswissenschaftler. Wir haben deshalb in den 1970er-Jahren regelrecht
Jagd auf Verkehrsteilnehmer gemacht. Der Spruch eines Vorgesetzten: “Wir sind
heute wieder blutrünstig, wer drei Blutproben reinbringt, hat Feierabend.“ Dann mussten
diese Tätigkeiten nach und nach aufgrund fehlenden Personals immer mehr
reduziert werden. Nahmen jetzt die Unfallzahlen zu? Eigentlich nicht. Zugegeben, es gibt noch
andere Faktoren, die für eine Abnahme sprechen.
Es ist richtig, dass Wissenschaft nicht ruht. Deshalb heißen
die Menschen, die sich dort tummeln, ja auch Forscher. Eine wissenschaftliche
Erkenntnis ist also eine Momentaufnahme.
Ab heute müssen die Menschen in Bus und Bahn sowie beim
Einkaufen Masken tragen. Schon wieder Anlass zur Diskussion. In Corona-Zeiten streiten
sich die Wissenschaftler. Virologen gegen Virologen, Mediziner gegen Mediziner.
Und im Internet und Talkshows wird das öffentlich getan. Jeder kann in den
sozialen Netzwerken noch seinen Senf dazu geben oder absichtlich Fakenews verbreiten.
Früher blieben die wissenschaftlichen Streitereien meist im geschlossenen
Bereich. Ich stelle mir vor, 1850 hätte es schon Internet gegeben. Armer
Ignaz Semmelweis. Es wäre ihm noch schlimmer ergangen.
Zwischen die wissenschaftlichen Fronten geraten die
Entscheider, also die Politiker. Im Bundesgebiet kommen sie zu
unterschiedlichen Urteilen, Regelungen und Verordnungen. Und in Europa und
weltweit? Selbst Boris Johnson hat sich
nach seiner Coronainfektion mit kurzem Aufenthalt auf der Intensivstation vom Falken zur Taube gewandelt. Vom
amerikanischen Präsidenten ganz zu schweigen. In stark religiösen Regionen werden
sogar der liebe Gott oder seine Propheten bemüht. Religionswissenschaft?
Es sind schwierige Zeiten, nicht nur für Wissenschaftler,
sondern besonders für diejenigen, die für unser Gemeinwohl zuständig sind – die
Politiker. Ich bleibe dabei. In Deutschland machen sie einen guten Job.
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