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Dienstag, 1. Oktober 2019

Heute vor 50 Jahren - ich werde Polizist


1. Oktober 1969. Ich stehe im Alter von 16 Jahren um kurz vor 12.00 Uhr mit einem Koffer und einer Sporttasche in den Händen in der Kaserne der Bereitschaftspolizeiabteilung I der Kleinstadt Bork in Westfalen. Die Kleinstadt am Rande des Ruhrgebiets hat die Postleitzahl 4711. Der Polizeikollege meines Vaters hat mich mit seinem VW „Bulli“ aus meiner Heimatstadt Gelsenkirchen-Buer dort hingebracht. Der Beginn als Polizist.

Intern nennen wir die riesige Unterkunft „Bullenkloster“. Hat ja auch etwas davon. Frauen - Fehlanzeige. Die sehen wir nur in der Küche und im Verwaltungsgebäude. Meine „Zelle“ ist eine kleine Vier-Mann-Stube mit Tisch, vier Stühlen, vier Spinden und zwei Doppelstockbetten. Ich schlafe unten. Ein Gemeinschaftswaschraum, eine Gemeinschaftstoilette und die Gemeinschaftsdusche im Keller ergänzen mein neues Zuhause. Einen Dienstgrad habe ich auch: Polizeiwachtmeister auf Widerruf. Auf den Schulterklappen der filzigen grünen Uniform ist nichts zu sehen. Der Tagesablauf ist streng geregelt. Unterricht in Rechtskunde, Sport, Übungen im geschlossenen Verband, exerzieren, marschieren, singen („Oh, du schöner Westerwald“) und grüßen lernen, durch Handhandlegung an die Schirmmütze, Umgang mit polizeilichen Ausrüstungsgegenständen.
Nach Dienstschluss ist nichts los in der Polizeikaserne. Abends ist wieder Sport angesagt, Kartenspielen und/ oder Biertrinken in der Kantine. Um 22.00 Uhr heißt es Licht aus. Das wird vom BvD (Beamten vom Dienst) kontrolliert. Bettruhe im hellgrünen an den Ärmel dunkelgrün abgesetzten Schlafanzug. Nachts werde ich manchmal wach, das Doppelbett mit Stahlrahmen wackelt ein bisschen. Nach dem Gemeinschaftswecken, der Gemeinschaftsmorgentoilette, dem Gemeinschaftsfrühstück im riesigen Essenssaal, mit abgetrenntem Bereich für die Ausbilder, heißt es: „Antreten in Linie zum Morgenappell vor dem Hauptgebäude.“ Ich stehe immer am Rande dieser Ordnungsformation. Es wird nach Größe aufgereiht. „Der kleine Klein nach rechts außen.“
Der „Außendienstmeister“, ein Polizeiobermeister, beginnt mit der Kleider- und Haarkontrolle. Manch einer wird zum polizeieigenen Frisör geschickt. Natürlich in der Mittagspause. „Nicht nur Seife kaufen“, ist sein Spruch. Der „Innendienstmeister“ oder „Spieß“, Polizeihauptmeister Stille, gibt die Neuigkeiten oder Besonderheiten bekannt. Oder er wirbt uns an. So werde ich Mitglied im Polizeisportverein, obwohl ich da schon in Gelsenkirchen drin bin, und der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Widerrede kommt nicht gut an. Wer wegen Verletzung oder Krankheit vom Sport befreit ist, muss in die Küche zum Kartoffelschälen oder den Vorplatz von Zigarettenkippen reinigen. Die Freude nach dem Stubenappell ("Stube, gereinigt und gelüftet!") auf das Wochenende und die tägliche Briefausgabe beim Mittagsappell ist groß. Ich bekomme jeden Tag einen von meiner Sabine, der Brief ist adressiert an Polizeiwachtmeister Uwe Klein, 4711 Bork/ Kreis Lüdighausen, Im Sundern, Grundlehrgang 69/X, Klasse D . So ging das ein Jahr lang – eine tolle Zeit für einen 16-Jährigen. Aber vielleicht verklären auch 50 Jahre die Sichtweisen.
 

1 Kommentar:

  1. "Bullenkoster"? Hahahaha! Sehr gut! :-)
    Ich war - nicht ohne stolz - der erste "Polizeiwachtmeister auf Widerruf" beim Bundesgrenzschutz 1982. Der BGS hatte gerade dei Polizeidienstgrade übernommen und den "Grenzjäger" aufgegeben. Aber wir hatten tatsächlich noch die alten Wehrmachtsschulterstücke - kann man´s glauben? :-)
    Vieles, was du hier schreibst, habe ich genau so erlebt, das Lesen ist ein echtes deja vu.

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