Nach seinem Auftreten im Innenausschuss der NRW-Landtags und der folgenenden medialen Berichterstattung hat mein Kollege, Kriminalhauptkommissar Dr. Frank Kawelovski, einen "Offenen Brief" geschrieben, gerichtet an seine Polizeikolleginnen und -kollegen:
Offener Brief zum Thema „Verzerrung von PKS-Aufklärungsquoten“
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
am 27.10.16 hat es eine Innenausschusssitzung des NRW-Landtages
gegeben, in der über ein Maßnahmenpaket der CDU-Fraktion zur Bekämpfung des Wohnungseinbruchs
beraten wurde. Hierzu bin ich neben anderen Fachleuten vom Landtag als
Gutachter bestellt und auch in der Sitzung vom Innenausschuss angehört worden. In
meinem Gutachten habe ich zu zahlreichen Aspekten der Einbruchsbekämpfung
Stellung bezogen und glaube nach wie vor, eine differenzierte und objektive
Bewertung abgegeben zu haben. Das 18-seitige Gutachten kann unter dem Link
https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument?Id=MMST16/4352
eingesehen werden. Das mediale Interesse an dem Gutachten hat sich
sehr schnell auf einen einzigen
Punkt meiner Stellungnahme, eine deutlichen Kritik an dem
exzessiven Umgang mit den Aufklärungsquoten der PKS und einer kleineren Zahl
echter Statistikfälschungen fokussiert. Mir war schon zuvor klar, dass dieser
Punkt Interesse wecken würde, allerdings hat mich das Ausmaß der öffentlichen Reaktionen
überrascht. Ich habe zudem innerhalb von zwei Tagen über unterschiedlichste
Kanäle mehr als 200 Rückmeldungen von Polizeikolleginnen und -kollegen dazu
bekommen. Diese Rückmeldungen waren ausnahmslos positiv und reichten von über „Mutig!
Ich wünschte, ich würde mich so etwas auch trauen“ bis „Hoffentlich hast du
jetzt erreicht, dass dieser Quoten-Irrsinn aufhört und niemand mehr verprügelt
wird, der Überstunden macht, aber keine Wunschzahlen liefert“. Diese Rückmeldungen
haben mich gestärkt, zugleich habe ich aber auch von Kollegen gehört, dass es durchaus
sehr kritische Bewertungen gab, die im Extrem Inhalte wie „Nestbeschmutzer“, „Dreckschleuder“und
„Kollegenschwein“ trugen. Leider hat sich nicht ein einziger (!) dieser
Kritiker bei mir persönlich gemeldet. Ich bin jederzeit zu einem von Sachargumenten
und gegenseitigem Respekt getragenen Austausch bereit. Ich halte für möglich,
dass der eine oder andere, der sein Unverständnis über mein Gutachten geäußert
hat, nur einzelne, zum Teil verkürzte und medial verzerrte Informationen hatte,
aber weder mein Gutachten gelesen, noch die Videoaufzeichnung der
Landtagssitzung
https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/Webmaster/GB_I/I.1/video/video.jsp?id=1003951
gesehen hat. Vielleicht käme er in Kenntnis dieser Quellen nicht
mehr zu dem Ergebnis, dass ich die Kollegenschaft und die Polizei in ein
schlechtes Licht gerückt habe, sondern an einem einzelnen Punkt Kritik geübt
habe, zu dem ich allerdings auch unverändert stehe. Ich gebe meinen mir nicht bekannten
Kritikern auch zu bedenken, dass ich mich nicht mit verpixeltem Gesicht, computerverzerrter
Stimme und Geheimdokumenten in der Tasche vor Fernsehkameras gesetzt habe,
sondern mich – im Bewusstsein persönlicher Angreifbarkeit – mit offenem Visier
zur Sache geäußert habe. Leider kommunizieren die wesentlichen
Entscheidungsträger nicht mit mir, sondern ausschließlich über mich. Eine
DPA-Meldung, nach der ich meine Aussagen zur Statistikfälschung später
zurückgenommen habe, ist übrigens falsch und von einigen Medien
zwischenzeitlich auch korrigiert worden.
Ich glaube, dass wir in der nordrhein-westfälischen Polizei gute
Arbeit leisten und wir uns auch bei der Einbruchsbekämpfung nicht verstecken
müssen. Allerdings sollten wir es auch nicht nötig haben, in einem unredlichen
Maße Quoten künstlich und mit aller Gewalt nach oben zu drücken, obwohl wir
sie auch bei größtem Bemühen nicht erreichen können. Der
Einbruchdiebstahl ist ein äußerst schwer
aufklärbares Delikt und wird es – auch bei größter Anstrengung,
Auswege aus dem Dilemma zu finden – bleiben. Ich möchte weder mit Herrn Jäger
im Innenministerium noch mit den Polizeipräsidenten tauschen, die die
Ergebnisse der Kriminalitätsbekämpfung zu verantworten haben und nach außen vertreten
müssen. Jedoch müssen wir von jedem Verantwortlichen auch ein Mindestmaß an Ehrlichkeit
und Rückgrat erwarten können. Wenn ich in der Zeitung lese, dass etwa die
Essener Kripo- Chefin Frau Thon erklärt haben soll, dass es eigentlich auf die
Aufklärungsquoten nicht ankomme, so wundert mich dies. Noch bis zum Tag zuvor
war in allen Veröffentlichungen des Innenministeriums und der Polizeipräsidien
die Quotenerhöhung neben der Senkung der Fallzahlen zu einem der beiden Hauptziele
der Einbruchsbekämpfung erklärt worden.
Wenn wir glauben, dass wir uns über stark verzerrte oder sogar
gefälschte Aufklärungsquoten nach außen in ein besseres Licht setzen müssen, so gebe ich zu
bedenken, dass wir damit das Lagebild „PKS“, aus dem wir wichtige Sachinformationen für die
Kriminalitätsbekämpfung schöpfen müssen, unbrauchbar machen und dass wir mit jeder Phantom-Aufklärung auch
einen Phantom-Tatverdächtigen erzeugen, der mit all seinen Merkmalen in die PKS
eingeht und in der Masse schließlich ein fiktives Bild davon formt, wer unsere
Täter sein könnten. Mit einer verzerrenden Darstellung legen wir allerdings
leichtfertig einen Generalverdacht auf ganze Bevölkerungsgruppen. Ich weiß aus meiner
eigenen 36-jährigen Polizeipraxis, dass genug Menschen aus Osteuropa unser Land
aufsuchen, um hier Straftaten zu begehen. Wenn wir den Umfang dieses Phänomens
aber mit Zahlen erhöhen, ohne für die Höhe valide Beweise zu erbringen, so tun
wir denen Unrecht, die aus diesen Ländern kommen und hier nur ihrer Arbeit
nachgehen und ein friedliches und gesetzestreues Leben führen wollen. Ich kenne
selbst Familien aus Osteuropa, die sich durch die medialen Darstellungen des
Themas „Osteuropäer und Kriminalität“ belastet fühlen. Neben diesem Aspekt
erzeugt ein leichtfertiger Umgang mit der PKS aber auch noch weitere Schäden.
So wird jedem Bürger die Möglichkeit genommen, sich ein klares Bild über das
Kriminalitätsgeschehen in unserem Land zu machen. Wir sollten es aber nicht
nötig haben, die Bürger über die wahren Kriminalitätsverhältnisse und auch über
die Möglichkeiten und Grenzen polizeilicher Arbeit zu desinformieren. Und
schließlich sorgt ein manipulativer Umgang mit Aufklärungsquoten auch dafür,
dass Behörden – und ihre Mitarbeiter – die fleißig Einbruchsbekämpfung
betreiben, aber in der Darstellung ihrer Arbeitserfolge ehrlicher sind,
politisch und dienstlich gegeißelt werden, weil sie scheinbar schlecht
gearbeitet haben.
Ich sehe in einer Gesamtbewertung nicht, dass wir in
Nordrhein-Westfalen schlechte Polizeiarbeit leisten. Viele Kolleginnen und
Kollegen machen Überstunden und reißen sich – zum Teil ohne dafür nur die
geringste Anerkennung durch Vorgesetzte zu erhalten – für ihre berufliche
Arbeit ein Bein aus. An den Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung – ich
selbst unterrichte in Mülheim – sitzen junge Frauen und Männer, die für ihre
Berufswahl brennen und es nicht abwarten können, die Menschen im Land zu
schützen und bereit sind, sich dafür selbst Gefahren auszusetzen. Es gibt also
ein großes und gutes Potential.
Ich stehe, damit möchte ich abschließen, für eine sachliche
Auseinandersetzung zur Verfügung. Ich hoffe, dass es genug Kollegen gibt, die
Ursache und Wirkung nicht miteinander verwechseln. Man sollte nicht den
Stromableser verprügeln, wenn der Stromverbrauch zu hoch war. Darüber hinaus möchte
ich auch jeden Kollegen, der Missstände feststellt, ermutigen, diese beim Namen
zu nennen,
egal ob er damit dem Mainstream folgt oder nicht. Nur so kann sich
eine Organisation wie die Polizei
positiv fortentwickeln. Konstruktive Kritik ist ein Grundpfeiler
unserer Demokratie und unseres Rechtstaates, Mauschelei und Vertuschung lassen
beides untergehen, den Beweis hat die Geschichte
vielfach erbracht.
Mit besten Grüßen und guten Wünschen für die Arbeit
Euer / Ihr
Frank Kawelovski
Frank Kawelovski in historischer Uniform am Tag des Polizeimuseums in diesem Jahr. Er kennt die Polizei aus dem Effeff - ©uk-Foto
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