Am Freitag starb Dieter Klein (83) nach schwerer Krankheit. Er war zwar kein Polizist, aber der Polizei eng verbunden. Deshalb wurde er auch in die Familie der International Police Association (IPA) aufgenommen. Der gebürtige Kölner war ein klassischer Polizeireporter, den es heute so nicht mehr gibt. Fotojournalist, Redakteur, freier Mitarbeiter bei der Neuen Rhein Zeitung (NRZ), dem Verlag DuMont und dem Axel-Springer-Verlag.
Für seine Recherchen über Kriminalität war Dieter in Hamburgs Vergnügungs- und Rotlicht-Viertel St. Pauli ebenso präsent wie an internationalen Schauplätzen des Verbrechens. Bis nach Fernost und Südamerika führten ihn seine Reportagen über weltweit operierende Drogensyndikate. Spektakuläre Mordfälle brachten ihn unter anderem nach St. Petersburg, Zürich und Paris. Auf der Suche nach Wirtschaftskriminellen verschlug es ihn bis in die Karibik. Seine Reportagen verschafften ihm Anerkennung in höchsten Polizeikreisen wie Respekt in der Unterwelt. Mehr als zwei Dutzend Morddrohungen im Laufe der Jahre erwiesen sich glücklicherweise nur als Bluff. Einmal wurde er jedoch angeschossen. Mit einer Walther PPK, Kaliber 7,62 Millimeter. Seit 2001 lebte der Journalist mit seiner Ehefrau Erika in Nottuln bei Münster und arbeitete hier freiberuflich und im höheren Alter für die westfälischen Nachrichten.
Dieter Klein bei einer Buchlesung 2015 im Polizeimuseum |
Der Journalist schrieb seine Erlebnisse in dem Buch „Auf Rattenjagd“ nieder, mit Episoden wie: Tot in Bremen – Rattenjagd – Die Legende – Schnee vom Großmarkt – Belgische Pistolen – Mit falschen Würfeln – Die Toten vom Kiez – Die Mörder aus Russland - Andere sind bestechlich- Singen kann ungesund sein - Unter Mordverdacht - Der Tote aus der Seine - Mit Millionen in die Karibik - Jerusalemer Bomben - Die Hölle von Zürich.
Aber warum faszinierte ihn so die Polizeiberichterstattung, warum wurde der Rheinländer vom Provinzreporter, der über Goldhochzeiten, Firmenjubiläen oder Vereinsfeiern berichtete, zum knallharten Polizeireporter bei der „Bild am Sonntag“? Er gibt die Antwort selbst. Nach dem Tod eines jungen Drogenmädchens in Bremen: „Bei ihrer Beerdigung auf einem kleinen Dorffriedhof im Emsland ging nur die Mutter hinter dem weißen Sarg her. Als die Erde von meiner Schaufel in die Tiefe polterte, schwor ich mir. Ab heute machst du Jagd auf diese Gangster. Und weil mir nichts Übleres einfiel, nannte ich es „Rattenjagd“. Eine Rattenjagd mit Feder und später mit Laptop.
1989 - Dieter Klein ganz links im Bild mit Essener Polizisten auf der Kettwiger Straße |
Ausschnitt aus der Geschichte „Die Toten vom Kiez“. Dieter Klein schreibt über die sogenannte GMBH von der Reeperbahn. Gemeint sind die Zuhälter: G-erd Glissmann, M-ichael Luchting („der schöne Mischa“), B-eatle Vogler und H-arry Vörthmann man (wegen seines Schrumpelkopfes von seinen Gegnern auch als der Hundertjähriger verspottet). Ein Quartett von Rolls-Royce-Piloten und Rolex-Uhr-Besitzern. Zuhälter. Kurz in Insiderkreisen GMBH genannt.
"In diesem Moment kommt ein Mann mit einer schwarzen Lederjacke in die „Ritze“ (Anm.: legendäre Kneipe auf St. Pauli mit Boxring im Keller), dem Aussehen nach ein Türke oder auch Jugoslawe. So um die Mitte 30, durchschnittlich groß mit mittellangen dunklen Haaren. Mürrisch blickt er in die Runde, dann bestellt er sich ein Bier. […] Erst jetzt zeigt eine der Kellnerinnen kichernd auf die hochhackigen Schuhe des Fremden. Den kümmert es nicht. Scheinbar gleichgültig schaut er zu, wie in diesem Augenblick der Lude Fritz Schröer, auch Chinesen Fritz genannt, aus dem von ihm gemanagten Etagenbordell kommt und sich gleich neben seinen Freund Peter hockt. […] Der Fremde ist plötzlich nähergetreten. So schnell, dass wir alle erst reagieren, als er plötzlich einen Revolver zieht. Auf „Chinesen Fritz“ zielt und abdrückt. Drei Schüsse peitschen in der „Ritze“. Der Chinese rutscht von der Bank. In Zeitlupe. Das Gesicht staunend und schmerzvoll verzerrt, als ob er den Tod nicht erwartet hat. Zumindest jetzt noch nicht. Doch nicht hier. So in aller Öffentlichkeit. Noch bevor er den Boden ganz erreicht, ist ihm wohl klar, dass er Hamburg für immer verlassen muss. Blut quillt aus den Fingern, die er in seine Brust gekrallt hat. Hysterisches Geschrei zerreißt die Stille. Die Bordelldamen schreien noch, als schon die ersten Polizisten aus der Davidwache angerauscht kommen.“
Dieter Klein habe ich in den Ende der 1980er-Jahre beruflich kennenglernt. Da schrieb er hier im Ruhrgebiet eine Reportage für die BILD über die „Fahndung und Einsatztrupps zur Kriminalitätsbekämpfung“ der Essener Polizei. Er brannte für seine Arbeit und für die Polizei. Und da er wie mein Bruder Dieter Klein hieß, entwickelte sich eine Verbundenheit. Er der Polizeireporter, ich der Chefsprecher der Polizei. Im Ruhestand zog er mit seiner späten Liebe Erika ins Münsterland. Jetzt nach seinem Tod kann er seine unglaublich spannenden Geschichten erzählen, wer immer ihm auch zuhört. Vielleicht ist ja einer von der Hamburger Kiez-GMBH.