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Donnerstag, 10. Oktober 2019

Offener Brief an die SPD zur Kandidatenwahl, Sicherheit und Kriminalität


Offener Brief

An die Spitzenfunktionäre SPD und
alle anderen Parteimitglieder…

Liebe Genossinnen und Genossen,

die älteste Partei Deutschlands sucht eine neue Führung. Eine Doppelspitze, bestehend aus Frau und Mann. Die Teams touren seit geraumer Zeit durch die Republik und stellen sich den Mitgliedern. Am vergangenen Sonntag war ich in Duisburg unter ihnen. Mein Fazit  habe ich hier öffentlich gemacht: www.ausserdienst.blogspot.de
Im letzten Teil der fast dreistündigen Veranstaltung durften die Zuschauer*innen ihre Fragen an ihre Kandidaten stellen. Ich wollte das auch. Bin leider nicht dran gekommen.
Meine Statement und meine Frage hätten sich an alle auf der Bühne gerichtet - von Saskia Eskens bis Ralf Stegner. Ungefähr so: In Nuancen wollen eigentlich alle Kandidaten*innen das Gleiche. Soziale Gerechtigkeit, Armutsbeseitigung, raus aus der GroKo, Frieden, Chancengleichheit, Umweltschutz, einheitliches Gesundheitswesen, geeintes Europa etc.  Das unterstreiche ich sofort, weil ich es auch möchte. Allerdings habe ich von keinem der SPD-Spitzenkandidaten etwas zum Thema innere Sicherheit, Kriminalität, Stärkung der Polizeiarbeit, Sicherheitsbehörden und der Justiz gehört. Doch, ich glaube es war Boris Pistorius, der ein paar kurze Sätze zur inneren Sicherheit sagte. Und ganz zum Schluss noch Christina Kampmann bei ihrer Vision 2030 im Wechsel mit ihrem Teampartner: "2030 werden keine Polizisten mehr vor Moscheen und Synagogen stehen.“ Na, ja. Das war’s.
Fast 45 Jahre war ich NRW-Polizist in verschiedenen Funktionen, gerne und mit Begeisterung. Meine oberen Dienstherren waren meist Sozialdemokraten. In der Innenansicht und Beurteilung mit unterschiedlichen Zeugnisnoten. Der letzte „Polizeiminister“, Ralf Jäger, war m. E. mit dafür verantwortlich, dass die SPD das schlechteste Ergebnis in meinem Bundesland seit Bestehen der Partei eingefahren hat. Seine Sicherheitspolitik kam bei den meisten Kollegen*innen gar nicht gut an. Den Blitzmarathon fanden sehr viele doof, so wie auch viele Bürger. Von einer PR-Aktion sprachen viele. Es mag noch andere Gründe für die Wahlschlappe der Regierung unter Hannelore Kraft gegeben haben.
Schon vor Jahren sagte mir einmal mein langjähriger Freund und Kollege, damals Sprecher beim Landeskriminalamt, und bis dahin strammer SPD-Wähler: „Die machen mir langsam mein sozialdemokratisches Herzchen kaputt.“ Gemeint war das Wegducken vor Kriminalitätsformen, die uns Polizisten bekannt waren und schon lange beschäftigten. Beispiel „Clankriminalität“. Schon kurz nach der Jahrtausendwende fielen die „arabisch-kurdischen“ Einwohner“ bei der Jahresstatistik aus dem Rahmen, waren ständig polizeilich auffällig. Fälschlicherweise noch unter Libanesen gelistet. Danach waren über 100 (!) Prozent der in Essen lebenden Menschen dieser homogenen Ethnie straffällig geworden. Eine Parallelgesellschaft mit eigenem Friedensrichter. Zugegeben, es lag auch an der  statistischen Erfassung. Das Problem wurde totgeschwiegen.
Das Wort „Kuscheljustiz“ machte immer mehr die Runde. Auch im anderen Zusammenhang. „Herz-Jesu-Kammern“ nannten die Kriminalisten die Gerichte, die über Kapitalverbrechen zu entscheiden hatten. Jetzt springt der NRW-CDU-Innenminister Reul auf den Zug, geht gegen „Clankriminalität“ vor und erntet Applaus von allen Seiten, natürlich nicht von der arabischen und ganz linken politischen.
In Berlin gibt es 58 (!) organisierte Banden, die meisten mit internationaler Besetzung, berichtete erst kürzlich das dortige LKA. Über die rot-rote Sicherheitspolitik in der Bundeshauptstadt lacht sich die Republik kaputt (Stichwort: Görlitzer Park).
Und im Straßenverkehr? Wann seid ihr zum letzten Mal kontrolliert worden? Hier zählen wir immer noch über 3.000 Tote und viele Verletzte. Die Verkehrsmoral sinkt. Illegale Autorennen, verrückte Hochzeitskorsos, verstopfte Autobahnen sind Schlagzeilen. Da machte sogar der jetzige CDU-NRW-Ministerpräsident mit Wahlkampf. Und die Polizei? Nicht zu sehen. Ich bin in anderen Zeiten als junger Schutzmann groß geworden. Als Verkehrskontrollen noch ein Großteil der polizeilichen Arbeit war.

Der mangelnde Respekt und die Anerkennung von Polizei, Feuerwehr und anderen Rettungskräften geht immer mehr verloren, so dass schon eigene öffentlichkeitswirksame Kampagnen gefahren werden müssen. In den Netzen wird gepöbelt, gehetzt und beleidigt. Wenn eine Politikerin auf das Übelste beschimpft wird, schüttelt wieder die Republik über das Justiz-Urteil den Kopf.
Und von Euch auf der Bühne? Kein Wort dazu. Existieren Sicherheit und die dafür maßgeblich Verantwortlichen für euch nicht? Das kann ich nicht verstehen.
Was nützen all die sozialen Errungenschaften, wenn sie nicht im sicheren Alltagsleben eingebettet sind, wenn die Menschen nicht angstfrei leben können oder Opfer vom Straßenverkehr werden. Besonders in Stadtteilen mit hohem Ausländeranteil wächst die Unzufriedenheit. Dann steht so einer wie Guido Reil auf, der Bergmann aus dem Essener Norden, und schwenkt ganz nach rechts. Und alte Sozis laufen ihm hinterher. Hochburgen der Sozialdemokratie gehen verloren.
Ich bin als „Rentnerblogger“ in den sozialen Netzwerken unterwegs. Die Beiträge hier mögen nicht repräsentativ sein, allerdings geben sie ein Stimmungsbild wieder. Letztens saß ich in der Nähe eines Rentnerstammtischs und lauschte. Ich dachte nur: Hoffentlich sind die nicht auf Facebook unterwegs.
Die Menschen haben Angst vor Überfremdung. Die Menschen haben Angst vor Kriminalität im öffentlichen Raum. Selbst in ihrer Wohnung fühlen sie sich nicht mehr sicher. Zugegeben - Angst, Opfer eines Verkehrsunfalls zu werden, haben sie nicht. Das Vertrauen zur Politik geht verloren.
Diese wichtigen Themen könnt ihr doch nicht negieren. Schlafen Eure Berater auf dem Baum? Wollt ihr nichts gegen dieses Entwicklung tun?
Zum Beispiel an den Organisationsstrukturen der Behörden, mehr Polizeibedienstete einstellen oder Gesetze an die geänderten Gegebenheiten anpassen.
Jetzt soll mir niemand mit „Subjektivem Sicherheitsgefühl“, wie Boris Pistorius am Sonntag, kommen. Das habe ich aus Loyalitätsgründen und dienstrechtlicher Verpflichtung zwei Jahrzehnte als Sprecher meiner Behörde auch getan.
Es ist in Ordnung, wenn Ihr Euch für „Ein gutes Kita-Gesetz“, für ein „Bildungs- und Teilhabegesetz“, für eine Grundrente, für mehr Bildung und gute Bezahlung stark macht, aber vergesst nicht, was die Menschen noch beschäftigt. Sonst werdet ihr, wie ich übrigens auch, in die „Gutmenschenecke“ gedrängt. Das ist erst einmal nicht tragisch. Denn was soll an guten Menschen schlecht sein? Aber ihr kommt da nicht mehr raus und verliert eine Wahl nach der anderen. Die Realität dürfen Politiker*innen nicht aus den Augen verlieren. Ihr tut es.
Ich hoffe, ich behalte, im Gegensatz von meinem Kollegen,  mein sozialdemokratisches Herz noch eine Weile. Wie lange allerdings, weiß ich nicht?

Glückauf
Euer
Uwe Klein - Essen/ Ruhrgebiet

P.S. Und während ich hier noch schreibe, berichten die Medien über die antisemitischen Morde in Halle. Die Republik trauert, einige reiben sich die Hände, weil ihre Saat aufgeht.

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